Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 26.08.2015
Versetzungsvorbehalte sind Regelungen, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, den Arbeitsinhalt oder den Arbeitsort zu verändern. Er kann dann beispielsweise Anweisungen erteilen, wonach der Arbeitnehmer künftig in einer anderen Filiale oder gleich in einer anderen Stadt zu arbeiten hat. Ein großzügiger Versetzungsvorbehalt des Arbeitgebers kann für den Arbeitnehmer also so gravierende Folgen haben, dass für diesen häufig die Grenze dessen erreicht ist, was im Arbeitsverhältnis eigentlich noch verlangt werden kann. Dabei handelt es sich in der Regel um nichts anderes als die Vereinbarung, dass dem Arbeitgeber sein ursprünglich ohnehin einseitiges Recht erhalten bleibt, den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zu konkretisieren. Dieses Recht hat aber zugunsten des Arbeitnehmers Grenzen, auch wenn es laut Arbeitsvertrag uneingeschränkt besteht.
Grenzen der Vereinbarung
Es gibt zwei Arten von Grenzen: Zum einen kann die vertragliche Regelung an sich, ohne konkreten Anlass, überprüft werden. Anhand dieser Überprüfung kann eine Regelung etwa dann für unwirksam erklärt werden, wenn sie unklar formuliert ist. Zum anderen kann eine grundsätzlich wirksame Versetzung dann im Einzelfall unwirksam sein, wenn die Ausübung des Versetzungsvorbehalts nicht „billigem Ermessen“ entspricht. Es kommt dabei stets auf eine umfassende Würdigung der arbeitsvertraglichen Situation an. Ein extremer Fall war nun Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Landgericht Schleswig-Holstein.
Das aktuelle Urteil
Gegen eine Versetzungsanordnung geklagt hatte ein Familienvater, der seit acht Jahren bei einem Dienstleistungsunternehmen als Isolierer angestellt ist. Seit dem Jahr 2009 war er auf einer Dauerbaustelle in seinem Wohnort tätig. In seinem Arbeitsvertrag war geregelt, dass er auf allen Baustellen eingesetzt werden kann. Nach einer Auseinandersetzung mit einem Vorarbeiter erhielt er die fristlose Kündigung, gegen die er sich erfolgreich gerichtlich wehrte. Als der Mann an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wollte, erhielt er die Weisung, er solle ab sofort in Ludwigshafen arbeiten – etwa 660 Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Der Arbeitnehmer wandte sich an das Arbeitsgericht, um diese Weisung überprüfen zu lassen.
Er bekam sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Recht. Die Grundaussage des Urteils vom 26.08.2015 (Aktenzeichen 3 Sa 157/15) war, dass ein Arbeitgeber auch bei Vorliegen eines erst einmal wirksamen Versetzungsvorbehalts immer noch angemessen Rücksicht auf familiäre Belange und andere Umstände nehmen muss. In dem entschiedenen Fall hätte sich die Arbeitgeberin aufgrund der extremen Entfernung an nicht familiär gebundene und damit weniger schutzwürdige Mitarbeiter halten müssen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Fazit
Das Landesarbeitsgericht hat eine Konkretisierung des „billigen Ermessens“ im Rahmen der Überprüfung von Versetzungsklauseln vorgenommen. Entscheidend ist dabei, dass sich nach der Wertung des Landesarbeitsgerichts die Weisung auch an Vergleichen zu weniger schutzwürdigen Mitarbeitern messen lassen muss.
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