Arbeitnehmer kündigt, Arbeitgeber kündigt zurück – darf man das?
Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 17.07.2019
Zum Abkehrwillen des Arbeitnehmers als Kündigungsgrund
Es gibt verschiedene Gründe, aus denen Arbeitnehmer ein Unternehmen verlassen möchten. In grundsätzlich intakten Arbeitsverhältnissen kommt es außerdem vor, dass Mitarbeiter ihren Arbeitgeber frühzeitig über ihr bevorstehendes Ausscheiden informieren, damit dieser eine Nachbesetzung oder Umsetzung bereits planen kann. Dieses eigentlich anerkennenswerte Vorgehen kann jedoch wiederum dazu führen, dass der Arbeitgeber das Vertrauen in seinen Mitarbeiter verliert und plötzlich eine noch frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses will. Dass der „Abkehrwille“ des Arbeitnehmers als Kündigungsgrund häufig nicht ausreichend ist (aber sein kann), hat aktuell das Arbeitsgericht Siegburg aufgezeigt.
Vorab: Wer kann wann kündigen?
Sofern weder im Arbeitsvertrag noch in einem anwendbaren Tarifvertrag zu den Kündigungsfristen etwas geregelt ist oder falls – häufiger – dort auf die gesetzlichen Vorschriften verwiesen wird, gilt Folgendes:
- Während der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 3 BGB taggenau zwei Wochen.
- Bis zu einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren beträgt die Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 1 BGB vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats.
- Ab einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren steigt die Kündigungsfrist § 622 Abs. 2 BGB für den Arbeitgeber stufenweise an, ab einer Beschäftigungsdauer von fünf Jahren beträgt sie sodann zwei Monate zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats und so fort bis zu einer siebenmonatigen Kündigungsfrist bei einem 20 Jahre andauernden Arbeitsverhältnis.
- Eine außerordentliche Kündigung wird fristlos, also zu sofort, ausgesprochen. Dies ist für beide Parteien nur nach besonderen Pflichtverstößen der anderen Partei zulässig.
Fazit: Ist nichts anderes vereinbart, beträgt die Kündigungsfrist für Arbeitnehmer nach Ablauf der Probezeit immer vier Wochen, während sie für Arbeitgeber bis zu sieben Monate betragen kann. Häufig ist übrigens vereinbart, dass die Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer parallel zu denen des Arbeitgebers ansteigen. Das ist üblich und zulässig.
Wer kann warum kündigen?
Wir unterscheiden auch hier zwischen fristloser (außerordentlicher) und einer fristgemäßen (ordentlichen) Kündigung. Ersterer haben wir einen eigenen Blog-Beitrag gewidmet.
Arbeitnehmer können ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung der Kündigungsfrist ordentlich kündigen. Arbeitgeber brauchen spätestens ab einer Anzahl von zehn Beschäftigten (wie wird gezählt? So wird gezählt.) und einer Beschäftigungsdauer des betreffenden Mitarbeiters von mehr als sechs Monaten einen Grund, wenn sie kündigen wollen. Diese Gründe können
- personenbedingt,
- verhaltensbedingt oder
- betriebsbedingt
sein. Ganz überblicksartig bedeutet das, dass der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin
- aus unverschuldeten, aber individuellen Gründen wie einer Erkrankung,
- aus selbst verursachten Gründen wie einem Fehlverhalten bei der Arbeit oder
- unverschuldeten, aber generellen Gründen wie einer Umstrukturierung
gekündigt wird. Nur aus diesen drei Kategorien kann ein zulässiger Kündigungsgrund stammen, wobei für besondere Personengruppen wie Betriebsratsmitglieder, Schwerbehinderte und Schwangere wiederum Sonderregelungen gelten. Auch ist nicht alles, was ein Arbeitgeber für einen legitimen Kündigungsgrund hält – insbesondere nicht jede Erkrankung, nicht jedes Fehlverhalten und jede Umstrukturierung – ein ausreichender Kündigungsgrund im Sinne von Gesetz und Rechtsprechung. Hier die jeweiligen Grenzen aufzuzeigen, würde jedoch bei weitem den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Genauer ansehen wollen wir uns den „Abkehrwillen des Arbeitnehmers“ als verhaltensbedingten (?) Kündigungsgrund.
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Was war passiert? Arbeitnehmer kündigt, Arbeitgeber kündigt zu früher
Der spätere Kläger war seit dem Jahr 2016 Teamleiter bei einem Unternehmen. Er informierte seinen Arbeitgeber, sich nach einer im März/April 2019 anstehenden Kur eine neue Arbeit suchen zu wollen und kündigte im Januar 2019 zum 15.04.2019. Der Arbeitgeber war hiermit nicht einverstanden, sondern kündigte seinerseits bereits zum 28.02.2019 mit der Begründung, der in seiner Kündigung zum Ausdruck kommende Abkehrwille des Arbeitnehmers berechtige ihn hierzu. Der Arbeitnehmer erhob Klage gegen diese Kündigung.
Das Urteil: Abkehrwille ist normalerweise kein Kündigungsgrund
Das Arbeitsgericht Siegburg entschied mit Urteil vom 17.07.2019 (Aktenzeichen: 3 Ca 500/19), dass die Kündigung des Arbeitgebers unwirksam ist. Nur in Ausnahmefällen könne der Abkehrwille des Arbeitnehmers eine, dann aber betriebsbedingte, Kündigung rechtfertigen. Das sei aber nur dann denkbar, wenn der Arbeitgeber gerade über eine im Übrigen schwierig zu findende Ersatzkraft verfügt und diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verfügbar sei. In dem entschiedenen Fall war das Gericht der Auffassung, der Arbeitgeber könne die Stelle aus dem Pool seiner Mitarbeiter nachbesetzen. Erst mit der Kündigung des Arbeitnehmers am 15.04.2019 endete also das Arbeitsverhältnis.
Fazit: In der Regel Freistellung statt Kündigung
Wenn ein Arbeitgeber einem erklärtermaßen kündigungswilligen Arbeitnehmer nicht mehr traut, kann er ihn freistellen. Häufig wird der Arbeitnehmer sich mit dieser Anordnung einverstanden erklären, denn das Gehalt ist natürlich fortzuzahlen. Mit einer unwiderruflichen Freistellung kann grundsätzlich auch der Urlaub „abgehandelt“ werden, hier kommt es aber auf eine saubere Formulierung an. Übrigens sollten Arbeitnehmer nicht bereits während der noch laufenden Kündigungsfrist für den neuen Arbeitgeber tätig werden, besonders wenn es sich wie es ja häufig ist um dieselbe Branche handelt. Dies könnte wiederum für den Arbeitgeber ein Anlass sein, Unterlassung und Schadensersatz zu verlangen und gegebenenfalls auch noch einmal fristlos „nachzukündigen“.
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