Schultz-Hoff-Entscheidung
Mit der so genannten Schultz-Hoff-Entscheidung vom 19.01.2009 sorgte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang 2009 für einen Paukenschlag. Der EuGH hatte mit dieser Entscheidung die nationale Regelung, dass der Urlaub grundsätzlich verfällt, wenn er bis zum 31.03. des Folgejahres nicht genommen werden kann, dahingehend eingeschränkt, dass dieses nicht gilt, wenn der Urlaub wegen einer länger andauernden Krankheit überhaupt nicht angetreten werden konnte. In diesem Fall sollen die Urlaubsansprüche erhalten bleiben; der Urlaub kann angesammelt und später in Anspruch genommen werden. Wird das Arbeitsverhältnis beendet, ohne dass der Urlaub genommen werden konnte, wäre zudem der gesamte angesammelte Urlaub abzugelten. Der EuGH musste wegen der praktischen Konsequenzen des Urteils harte Kritik einstecken. Zudem hatte das auf den ersten Blick arbeitnehmerfreundliche Urteil die Konsequenz, dass sich Arbeitgeber aufgrund der durch die Ansammlung des Urlaubs drohenden finanziellen Belastung gezwungen sahen, Arbeitsverhältnisse mit lang andauernd erkrankten Arbeitnehmern möglichst frühzeitig zu beenden.
Urteil
Mit einem aktuellen Urteil vom 22.11.2011 ist der EuGH (Aktenzeichen: C-214/10) etwas “zurückgerudert” und hat entschieden, dass der Urlaubsanspruch bei einer langfristigen Erkrankung zeitlich begrenzt werden darf. Der klagende Arbeitnehmer, der bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum Ende August 2008 bereits mehrere Jahre arbeitsunfähig erkrankt war, machte für die Jahre 2006 bis 2008 einen Anspruch auf Abgeltung seines Jahresurlaubs geltend. Allerdings sah der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag vor, dass der für ein Kalenderjahr zustehende Urlaub, der wegen Krankheit nicht genommen werden kann, nach einem Übertragungszeitraum von 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres erlischt. Der EuGH sah diese zeitliche Beschränkung des Urlaubsanspruches als zulässig an. Nach Auffassung des EuGH hat ein Arbeitnehmer kein Recht, Urlaubsansprüche über mehrere Jahre unbegrenzt anzusammeln. Begründet wird dies mit dem Erholungszweck des Urlaubs, der dann nicht mehr gegeben ist, wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, dann erfüllt der Urlaub nicht mehr den Zweck der Erholung von der Arbeit. Außerdem hat der EuGH betont, dass der Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiten und den Schwierigkeiten, die sich hieraus für seine Arbeitsorganisation ergeben, zu schützen ist. Allerdings muss der Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den der Urlaub gewährt wird, deutlich überschreiten.
Welche praktischen Konsequenzen aus dieser Entscheidung zu ziehen sind, ist abzuwarten. Das Urteil des EuGH erging ausdrücklich zu einer tarifvertraglichen Regelung, welche den Verfall des Urlaubs regelte. Ob diese Grundsätze zum Beispiel auch auf einzelvertragliche Regelungen übertragen werden können, ist offen. Begrüßenswert wäre, wenn der Gesetzgeber handelt und entsprechend den Vorgaben des EuGH eine Änderung des Bundesurlaubsgesetzes vornimmt.
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