Rund um die Altersteilzeit
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.09.2019
Die gesetzlich geregelte Altersteilzeit gibt es seit dem Jahr 1996, seitdem stieg bis in das Jahr 2010 die Anzahl der Altersteilzeitnehmenden kontinuierlich an. Seitdem sinkt die Zahl der Nutzer der Altersteilzeit wieder, dennoch wird das Modell in bestimmten Konstellationen gerne genutzt: Arbeitnehmer können vorzeitig und mit finanzieller Planungssicherheit in den Ruhestand eintreten und dem Arbeitgeber kommt diese Form der planmäßigen „Versetzung“ in den Ruhestand mitunter auch gelegen, insbesondere bei der Abwicklung von Umstrukturierungsmaßnahmen, sowohl bei Stellenabbau als auch einer geplanten Neubesetzung des Arbeitsplatzes.
Wie funktioniert Altersteilzeit?
Der Begriff Altersteilzeit ist ein wenig irreführend, denn nur selten wird dieses Modell wie eine klassische Teilzeitbeschäftigung gelebt, also mit einer dauerhaft reduzierten Wochenstundenzahl auf die Hälfte der ursprünglichen Stunden (Gleichverteilungsmodell). Bei dem überwiegend praktizierten Blockmodell wird zunächst eine gewisse Zeit weiterhin voll gearbeitet (Aktivphase), daran schließt sich eine gleichlange Freistellung an (Passivphase). Da die Arbeitszeit in beiden Fällen im Durschnitt 50 % beträgt, wird während der Teilzeitphase bzw. sowohl Aktiv- als auch Passivphase auch 50 % des Gehaltes gezahlt. Dieses Gehalt muss der Arbeitgeber allerdings um mindestens 20 % des Regelarbeitsentgelts aufstocken und zusätzliche Rentenbeiträge entrichten. Der Arbeitnehmer erhält also mit dem Altersteilzeitmodell mehr Entgelt bzw. geldwerte Leistung als es seiner Arbeitsleistung entspricht. Da die Altersteilzeit den Übergang in den Ruhestand darstellen soll, ist sie gesetzlich ab 55 Jahren möglich.
Gibt es ein Recht auf Altersteilzeit?
Je nachdem. Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch für alle Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber Altersteilzeit ermöglichen muss. Entsprechende Ansprüche können sich aber in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen finden. Solche Tarifverträge sehen häufig auch höhere als die gesetzlichen Aufstockungszahlungen des Arbeitgebers vor, also eine noch bessere Ausgangsposition für den Arbeitnehmer.
Wenn etwas schiefgeht: Krankheit und Kündigung
Leider läuft nicht immer alles so wie geplant und auch in der Altersteilzeit kann das Leben dazwischenfunken. Die beiden häufigsten atypischen Fälle dürften Krankheit des Arbeitnehmers oder ein zur Kündigung führendes Fehlverhalten sein. So sieht es aus:
Wird der Arbeitnehmer in der aktiven Phase krank, greifen die üblichen Regelungen der Entgeltfortzahlung und des Krankengeldes ein. In der Passivphase wirkt sich Krankheit überhaupt nicht aus. Es empfiehlt sich, für den Fall des Versterbens des Arbeitnehmers klare Regelungen zu treffen, da dieser Fall höchstgerichtlich noch nicht geklärt ist.
Eine ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers, insbesondere eine betriebsbedingte, ist in der aktiven Phase möglich. In der passiven Phase kann weder eine betriebsbedingte noch eine verhaltensbedingte oder personenbedingte ordentliche Kündigung erfolgen. Möglich ist jedoch in beiden Phasen eine außerordentliche Kündigung, im Falle der passiven Phase für den Fall, dass dem Arbeitgeber ein Fehlverhalten nachträglich bekannt wird. Bei der Interessenabwägung ist aber zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer ohnehin nicht mehr im Betrieb arbeiten wird, die Hürde zur Kündigung liegt also noch etwas höher als ohnehin schon bei einer fristlosen Kündigung (LAG Niedersachsen, Urteil vom 06.08.2014, Az. 17 Sa 893/13).
Sind Nebentätigkeiten erlaubt?
Da nach wie vor ein Arbeitsverhältnis besteht, sind Nebentätigkeiten, die sich nicht mit dem allgemeinen Konkurrenzverbot vereinbaren lassen, tabu. Häufig regelt ein Tarifvertrag im Übrigen den Umgang mit Nebentätigkeiten. Hier ist zumeist geregelt, dass die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten werden darf, also ausschließlich Minijobs erlaubt sind. Privilegiert sind hierneben oft selbständige Tätigkeiten, wenn und soweit sie bereits seit fünf Jahren ausgeübt werden. Da solche Regelungen aus einer Zeit stammen, als es noch Förderungen der Altersteilzeit gab, ist derzeit unklar, ob solche Regelungen gegenüber dem Arbeitnehmer noch Bestand haben können. Sie sollten aber bis auf Weiteres ernst genommen werden.
Diese Beiträge könnten Sie ebenfalls interessieren
Wie wird der Urlaub berechnet?
Während das Gehalt in der Altersteilzeit verstetigt gezahlt wird, macht ein solches Vorgehen für den Urlaubsanspruch wenig Sinn, denn in der Freistellungsphase benötigt der Arbeitnehmer schlicht keinen Urlaub. Darf bzw. muss der Arbeitnehmer nun also seinen gesamten Urlaub in der aktiven Phase nehmen? Oder wird der Urlaub nur anteilig gewährt, während die übrige Hälfte des Urlaubsanspruchs verfällt? Oder kann der Arbeitnehmer die Auszahlung des anteiligen Urlaubs verlangen? Diesen Fragen hatte aktuell das Bundesarbeitsgericht nachzugehen.
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der als „Head of Quality Escalator“ bei einem Unternehmen tätig war. Bis zum 31.03.2016 war er in der aktiven Phase der Altersteilzeit, arbeitete also in Vollzeit. Bis zum 31.07.2017 lief anschließend die passive Phase, in der keine Arbeitsleistung erfolgte. Während der Altersteilzeit erhielt der Kläger monatlich 7.035,60 EUR brutto, bestehend aus dem (anteiligen) Gehalt von 5.330,00 EUR und Aufstockungsbeträgen in Höhe von insgesamt 1.705,60 EUR. Laut Arbeitsvertrag bestand ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen. Im Jahr 2016 wurden dem späteren Kläger noch an acht Arbeitstagen Erholungsurlaub gewährt. Der Arbeitnehmer war der Ansicht, für die gesamte Freistellungphase noch Anspruch auf die Abgeltung von 52 Arbeitstagen als Urlaub zu haben. Der Arbeitgeber lehnte dies ab, ebenso die angerufenen Arbeitsgerichte in erster und zweiter Instanz. Gegen das Berufungsurteil ging der Kläger vor dem Bundesarbeitsgericht in Revision.
Das Urteil: Kein Urlaubsanspruch in der Freistellungsphase
Auch das Bundesarbeitsgericht stellte aktuell klar, dass in der Freistellungsphase bzw. der passiven Phase der Altersteilzeit kein Urlaubsanspruch besteht (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.09.2019, Az. 9 AZR 481/18). Zur Begründung griff das Gericht auf das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) zurück: Hiernach muss der Urlaubsanspruch bei einer Sechs-Tage-Woche mindestens 24 Werktage betragen. Die Anzahl der (Mindest-)Urlaubstage ist sodann bei weniger als sechs Tagen in der Woche entsprechend anzupassen. Befindet sich ein Arbeitnehmer nun in der Freistellungsphase der Altersteilzeit, beträgt seine Arbeitszeit „null“ Tage in der Woche und ebenso beträgt entsprechend die Anzahl der Urlaubstage „null“.
Was ist mit einem Wechsel von der aktiven Phase in die passive Phase im laufenden Kalenderjahr? Hier muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden. Das gilt nicht nur für den Mindesturlaub, sondern für den regulär vereinbarten Urlaub. Mehr Informationen zu dem Thema Urlaub und Teilzeit finden Sie hier.
Haben Sie Fragen zu dem Thema Altersteilzeit? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
Hier können Sie uns auf facebook folgen: KERNER Rechtsanwälte auf facebook
KERNER Rechtsanwälte
Fachanwälte für Arbeitsrecht
Leisewitzstraße 28
30175 Hannover
T: 0511 279008-0
F: 0511 279008-20
info@kanzlei-kerner.de
www.kanzlei-kerner.de