Corona – muss ich zur Arbeit, obwohl ich Angehöriger einer Risikogruppe bin?
Mancher Arbeitnehmer fragt sich, ob er zur Arbeit gehen muss, obwohl er einer Corona-Risikogruppe angehört. Gibt es daher ein Recht, warum Angehörige von Risikogruppen der Arbeit fern bleiben können und haben sie dann trotzdem einen Vergütungsanspruch?
Risikogruppe
Nach den Veröffentlichungen des Robert Koch Instituts zählen zur Corona-Risikogruppe vor allem ältere Menschen mit und auch ohne Grunderkrankungen. Hierzu führt das Robert-Koch-Institut u. a. Folgendes auf:
„Das Risiko einer schweren Erkrankung steigt ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an. Insbesondere ältere Menschen können, bedingt durch das weniger gut reagierende Immunsystem, nach einer Infektion schwerer erkranken (Immunseneszenz)…“
Eine generelle Einstufung zu einer Risikogruppe gibt es nicht. Dies ist jeweils einzelfallabhängig. Die Frage, ob Sie zur Risikogruppe gehören, kann Ihr behandelnder Arzt beantworten.
Lohnfortzahlung
Damit Lohnfortzahlung gem. § 3 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) geleistet werden kann, muss Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit vorliegen, ohne dass ein Verschulden zu verzeichnen ist. Eine Krankheit im medizinischen Sinne liegt vor, wenn ein regelwidriger Körper- und Gesundheitszustand festgestellt wird (vgl. BAG v. 26.07.1989 – 5 AZR 301/88). Wer zu einer Risikogruppe gehört, ist jedoch nicht krank. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht damit grundsätzlich nicht.
Etwas anderes könnte jedoch dann gelten, sofern ein Arbeitnehmer beispielsweise seelisch stark unter der Situation leidet. Wenn ein Arzt hierzu feststellt, dass der psychische Gesundheitszustand zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, kann er ihn krankschreiben.
Ärzte müssen bei der Prüfung, ob eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, allerdings besondere Sorgfalt an den Tag legen und sich an die Vorgaben aus der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie halten. Die bloße Angst sich anzustecken, auch bei einer Zugehörigkeit zu einer Corona-Risikogruppe, rechtfertigt keine Krankschreibung.
Ohne Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 5 EntgFG besteht auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Vorübergehende Verhinderung
Denkbar ist grundsätzlich, dass Arbeitnehmer wegen der Ansteckungsgefahr an der Arbeitsleistung gem. § 616 BGB gehindert sein könnten. § 616 BGB beinhaltet ein persönliches und verschuldensunabhängiges Leistungshindernis, welches verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit vorliegt. In Rechtsprechung und Literatur sind Fälle wie die eigene Hochzeit, Begräbnisse im engsten Familienkreis aber auch unverschuldete Verkehrsunfälle, Einbruch oder Brand der eigenen Wohnung anerkannt (vgl. Preis in Erfurter Kommentar, 20. Aufl. 2020, 616 BGB Rn. 4). Vor dem Hintergrund, dass die Corona-Krise bereits seit mehreren Wochen andauert, ist nicht von einer vorübergehenden Verhinderung auszugehen.
Einvernehmliche Lösungen
Denkbar ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmliche Lösungen finden, so dass das Ansteckungsrisiko minimiert wird (z. B. durch Home-Office oder vorübergehende Vertriebstätigkeiten nur noch per Telefon oder per Videochat). Hier wird im Einzelfall jeweils zu entscheiden sein, welche für beide Seiten die „günstigste“ Lösung ist. Gerade das Thema Home-Office dürfte aufgrund der derzeit geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung an Bedeutung gewinnen.
Die Verpflichtung die Gesundheit von Arbeitnehmern zu schützen, hat gem. § 4 ArbSchG ohnehin jeder Arbeitgeber. Wenn jedoch eine andere Gestaltung der Arbeit nicht möglich ist, kann auch einvernehmlich z. B. Sonderurlaub vereinbart werden. Ob dies mit oder ohne Bezüge möglich ist, ist wiederum Verhandlungssache.
Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte dokumentiert werden. Dies kann z. B. durch eine Bestätigung einer mündlichen Absprache per Mail erfolgen.
Fazit
Arbeitnehmer können nicht, weil sie Angehöriger einer Risikogruppe sind, der Arbeit fernbleiben. Sie riskieren ein Abmahnung oder sogar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung.
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