Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.04.2015, Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.04.2015
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) ist am 16.08.2014 in Kraft getreten. Seit dem 01.01.2015 gilt ein flächendeckendender allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € brutto je Zeitstunde, bis 2017 bestehen noch Ausnahmen. Zu dem neuen Gesetz sind noch viele Fragen durch die Rechtsprechung zu klären. Grund genug, sich zwei aktuelle Urteile genauer anzusehen.
1. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.04.2015
Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.05.2015 sein erstes Urteil zu einer, hier allerdings tariflichen, Mindestlohnregelung seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzeses (MiLoG) gesprochen (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.05.2015, Aktenzeichen 10 AZR 191/14).
Geklagt hatte eine Weiterbildungspädagogin, die bei einem Ausbildungsträger als pädagogische Mitarbeiterin beschäftig war. In das Arbeitsverhältnis einbezogen war der Tarifvertrag zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15. November 2011 (TV-Mindestlohn), wonach ein Stunden-Mindestlohn von 12,60 € geregelt war. Der Arbeitgeber rechnete für Feiertage, Krankheitszeiten und Urlaubsabgeltung nach der geringeren vertraglich vereinbarten Vergütung ab. Der Grund hierfür: Eindeutig im TV-Mindestlohn, ebenso auch im Mindestlohngesetz, geregelt ist,
wer den Mindestlohn erhalten muss. Nicht so eindeutig bestimmbar ist,
wann der Mindestlohn zu zahlen ist, denn mit der Regelung eines Mindestlohnes je Zeitstunde Arbeit ist noch nicht gesagt, dass dieser Lohn auch an Krankheitstagen, Urlaubstagen und Feiertagen gilt – denn an diesen Tagen wird nicht tatsächlich gearbeitet. Mit dieser Argumentation rechnete der Arbeitgeber ein niedrigeres Entgelt ab.
Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage die Differenz zu dem Mindestlohn für Zeiten, in denen sie krankheitsbedingt oder urlaubsbedingt abwesend war. Das Bundesarbeitsgericht gab der Pädagogin Recht und sprach ihr einen Anspruch auf den tarifvertraglich vereinbarten Mindestlohn auch für diese Abwesenheitszeiten zu. Hierbei bezog sich das Gericht auf das Entgeltfortzahlungsgesetz und das Bundesurlaubsgesetz und stellte klar, dass das Entgeltausfallprinzip das
Referenzprinzip auch dann anzuwenden ist, wenn ein Mindestlohntarif eingreift und diese Fragen in der Mindestlohnregelung nicht aufgegriffen werden. So lag der Fall hier, da der TV-Mindestlohn für diese Frage keine Regelung traf. Auch das MiLoG regelt die Entlohnung bei Urlaub, Feiertagen und Krankheit nicht, so dass die Grundsätze des Urteils auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € brutto je Zeitstunde übertragen werden können und dem Urteil Präzedenzwirkung zukommt.
2. Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 20.04.2015
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat sich direkt mit dem MiLoG befasst. Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns eine Basisvergütung von 8,10 € pro Stunde erhält und zusätzlich einen grundsätzlich freiwilligen Bonus, von dem allerdings fix mindestens 40 Cent und höchstens ein Euro auf jede Zeitstunde gezahlt werden. Mit dieser Regelung erhält die Arbeitnehmerin mindestens 8,50 € in der Stunde, kann aber auch einen höheren Stundenlohn erreichen. Sie machte nun geltend, dass der Bonus nicht in die Berechnung des Mindestlohns einfließen dürfe und verlangte eine Basisvergütung von 8,50 € in der Stunde.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage ab (Urteil vom 20.04.2015, Aktenzeichen 5 Ca 1675/15). In der Urteilsbegründung führte das Gericht aus, das MiLoG solle sicherstellen, dass ein angemessener Lebensunterhalt möglich sei. Zur Beurteilung komme es auf das tatsächliche Verhältnis von geleisteter Arbeit und Zeitaufwand an. Der Rechenweg hin zu den 8,50 € in der Stunde wurde daher vom Arbeitsgericht nicht als relevant angesehen, da der Bonus einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweist. Der Bonus sei demnach „mindestlohnrelevant“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Fazit
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat Signalwirkung für die Auslegung des Mindestlohngesetzes und folgt daneben den geltenden Grundsätzen des Entgeltfortzahlungsgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes. Arbeitgebern ist daher zu raten, den Mindestlohn auch für Krankheits-, Feier- und Urlaubstage zu zahlen. Arbeitnehmern ist zu raten, sich gegen eine verminderte Zahlung bei Urlaubs-, Feiertags- und Krankheitszeiten zur Wehr zu setzen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf verlangt „unterm Strich“ die Zahlung des Mindestlohns. Ob und in welchen Fallkonstellationen sich die Ansicht durchsetzen wird, der Rechenweg sei bei der Ermittlung des Mindestlohns nicht maßgeblich, bleibt abzuwarten.
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