Zur Angemessenheit des Nachtarbeitszuschlags bei dauerhafter Nachtarbeit
Nachtarbeit ist ausgleichspflichtig
Wer zur Nachtzeit arbeitet, erhält dafür einen Ausgleich. Damit ist nicht das Gehalt gemeint, das dieselbe Arbeit tagsüber ebenfalls abgelten würde, sondern eine darüber hinausgehende Kompensation für die besonderen Belastungen, die mit der Nachtarbeit verbunden sind.
Das Arbeitszeitgesetz macht für diesen Ausgleich Vorgaben und regelt, wann Nachtarbeit stattfindet: Nachtzeit ist die Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr, in Bäckerein und Konditoreien die Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr (§ 2 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG)).
Neben verschiedenen Regelungen zum Schutz der Gesundheit der Nachtarbeiter regelt das Arbeitszeitgesetz in § 6 Absatz 5 ArbZG die Kompensation: Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.
Existiert also kein Tarifvertrag, der das Arbeitsverhältnis erfasst oder enthält eine bestehender Tarifvertrag keine Regelungen über einen Ausgleich für Nachtarbeit, kann der Arbeitgeber nach seiner Wahl einen Zuschlag in Freizeit gewähren, also bezahlte Freistellung zusätzlich zu dem Gehalt, oder einen Zuschlag auf den Stundenlohn des Arbeitnehmers zahlen. Der Zuschlag muss jeweils der ihm gegenüberstehenden Belastung angemessen sein. Für beide Varianten wurde bisher regelmäßig ein Zuschlag von 25 % als angemessen angesehen. In seinem Wahlrecht und hinsichtlich der Höhe des Zuschlags kann der Arbeitgeber eingeschränkt sein durch den von ihm abgeschlossen Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen oder ggf. durch betriebliche Übung.
Das Urteil – Dauerhafte Nachtarbeit ist erhöhte Belastung
Nach einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 09.12.2015 verschiebt sich die Grenze, mit der der Zuschlag noch angemessen ist, in der Regel nach oben, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft Nachtarbeit leistet.
Geklagt hatte ein seit dem Jahr 1993 bei dem beklagten Paketlieferdienst beschäftigter LKW-Fahrer. Der Kläger arbeitet dort regelmäßig in der Zeit von 20 Uhr bis 6 Uhr, seine regelmäßige Arbeitszeit liegt damit zu einem großen Teil innerhalb der Nachtarbeitszeit des Arbeitszeitgesetzes.
Als Nachtarbeitsausgleich erhielt der Kläger von seinem nicht tarifvertraglich gebundenen Arbeitgeber in der Vergangenheit einen Zuschlag von zunächst ca. 11 Prozent und später 20 Prozent seines Bruttostundenlohns. Mit seiner Klage forderte er einen höheren Zuschlag von 30 Prozent oder Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für jeweils 90 Nachtarbeitsstunden.
Vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg hatte er zunächst teilweise Erfolg: Dort wurde ihm ein Nachtschichtzuschlag in Höhe von 25 Prozent oder wie beantragt Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für jeweils 90 Nachtarbeitsstunden zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht legte also bei dem Zuschlag auf den Stundenlohn für den Kläger den “Regelnachtzuschlag” von 25 Prozent zugrunde. Der Kläger war hingegen der Ansicht, die von ihm geleistete Dauernachtarbeit sei noch über das regelmäßige Maß hinaus belastend.
Mit seiner Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte er dann vollständig Erfolg (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.12.2015, Aktenzeichen: 10 AZR 423/14): Das Bundesarbeitsgericht sprach ihm einen Nachtschichtzuschlag von 30 % des Bruttostundenlohns zu und machte zugleich allgemeine Ausführungen zum Nachtarbeitszuschlag. Demnach führt Dauernachtarbeit nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer erhöhten Belastung. Daher ist im Fall von Dauernachtarbeit ein im Vergleich zum “Regelnachtzuschlag” erhöhter Nachtarbeitszuschlag von 30 % bzw. eine entsprechende Anzahl freier Tage angemessen.
Fazit
Das Bundesarbeitsgericht macht einen Unterschied zwischen (gelegentlicher) Nachtarbeit und dauerhafter Nachtarbeit. Da Nachtarbeit für viele Arbeitnehmer zugleich dauerhafte Nachtarbeit bedeutet, hat das Urteil Auswirkungen auf eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen. Betroffene Arbeitnehmer werden nun prüfen, ob ihre Zuschläge den Anforderungen des BAG entsprechen.
Ob die Urteilsbegründung Ausführungen dazu enthält, wann Dauernachtarbeit in diesem Sinne im Verhältnis zu gelegentlicher Nachtarbeit vorliegt, ergibt sich aus der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts nicht (Pressemitteilung Nr. 63/15 des Bundesarbeitsgerichts). Sollte das nicht der Fall sein, dürfte diese Frage in Zukunft klärungsbedürftig sein.