Kündigungsfristen Geschäftsführer
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.06.2020 -2 AZR 374/19
Viele Geschäftsführer haben jetzt kürzere Kündigungsfristen
Die GmbH ist die mit Abstand häufigste Gesellschaftsform in Deutschland, mehr als eine Million dieser Unternehmen gibt es und jedes wird durch einen oder mehrere Geschäftsführer vertreten, welche im Namen der GmbH Verträge schließen und Geschäfte tätigen. Bestellt wird ein solcher Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversammlung. Parallel hierzu schließt das Unternehmen mit dem Geschäftsführer einen Anstellungsvertrag, welcher ähnliche Themen wie ein Arbeitsvertrag zum Inhalt hat. Neben Vergütung, Urlaub etc. wird hier in aller Regel auch auf das Thema Kündigung eingegangen. Anders als Arbeitnehmer genießen Geschäftsführer keinen Kündigungsschutz in der Form, dass die Gesellschafterversammlung einen Grund für die Kündigung haben müsste. Die Kündigungsfrist wird jedoch mit einigen Worten bedacht; entweder durch die ausdrückliche Festlegung von Fristen oder mit Verweis auf die gesetzlichen Fristen. Genau das kann allerdings einen großen Unterschied bewirken, wobei sich die Lücke durch ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts noch deutlich vergrößert haben dürfte.
Aber der Reihe nach:
Wir haben ein Verhältnis – aber ist es Dienst- oder ein Arbeitsverhältnis?
Jedes Arbeitsverhältnis ist auch ein Dienstverhältnis, aber über die Merkmale eines Dienstverhältnisses hinaus ist ein Arbeitnehmer in erhöhtem Maße weisungsgebunden. Die Abgrenzung zwischen Dienstverhältnis bzw. freier Mitarbeit und Arbeitsverhältnis ist mitunter schwierig (siehe weiterführend hier). Einen Unterfall dieser Einordnungsschwierigkeiten stellt der GmbH-Geschäftsführer dar. Nach deutschem Arbeitsrecht wird ein Geschäftsführer aufgrund seiner Stellung als Organ des Unternehmens klassischerweise als Selbständiger mit einem Dienstverhältnis eingeordnet. Etwas einfach ausgedrückt: Wer Chef ist, kann nicht gleichzeitig Angestellter sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällt allerdings seit geraumer Zeit Urteile, wonach auch Organe juristischer Personen unter Umständen als Arbeitnehmer einzustufen sind. Jedenfalls GmbH-Fremdgeschäftsführer, also Geschäftsführer, die nicht zugleich Gesellschafter der GmbH sind, können demnach als Arbeitnehmer tätig werden. Tatsächlich unterscheidet sich das Tätigwerden eines solchen Fremd- oder auch eines Minderheitengeschäftsführers nicht sehr stark von dem eines leitenden Angestellten. Allerdings geht die deutsche Rechtsprechung bislang nach wie vor von dem Grundsatz aus, dass der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers in der Regel kein Arbeitsvertrag, sondern ein freier Dienstvertrag ist. Dass die Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers so stark ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht (BAG, Urteil vom 21. Januar 2019, Az. 9 AZB 23/18).
So lang, so kurz – die Kündigungsfristen
Die Kündigungsfristen eines Arbeitsverhältnisses bemessen sich, wenn nicht im Vertrag längere Fristen geregelt sind, nach § 622 BGB. In einer wirksam vereinbarten Probezeit beträgt die Kündigungsfrist taggenau zwei Wochen, § 622 Abs. 3 BGB. Nach Ablauf der Probezeit bis zu einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren beträgt die Kündigungsfrist vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats, § 622 Abs. 1 BGB. Ab einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren steigt die Kündigungsfrist an: Es gilt eine Kündigungsfrist von einem Monat und die Kündigung ist nur noch zum Ende des Kalendermonats möglich, § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mit einer Beschäftigungsdauer von fünf Jahren beginnt die nächste Verlängerungsstufe. Alle Fristen können Sie in § 622 Abs. 2 BGB nachlesen.
Nur einen Paragraphen vor den Kündigungsfristen des Arbeitsverhältnisses regelt der Gesetzgeber die Kündigungsfristen des Dienstverhältnisses.
Bei einem freien Dienstverhältnis bemisst sich die Kündigungsfrist danach, nach welchem Zeitraum die Vergütung bemessen ist. Ist die Vergütung wie häufig nach Monaten bemessen, ist eine Kündigung bis zum 15. des Monats für den Schluss des Kalendermonats (§ 621 Nr. 3 BGB) zulässig. Diese Frist ist unabhängig von der Beschäftigungsdauer.
Es kommt für den Fristbeginn jeweils auf den Zugang der Kündigung an (näher dazu hier).
Beispiel: Eine Arbeitnehmerin ist seit 9 Monaten beschäftigt, am 01.10.2020 geht ihr die Kündigung zu. Da der Arbeitgeber die 4-wöchige Frist bis zum Monatsende noch einhalten kann, kann er das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2020 beenden. Ist die Arbeitnehmerin seit 13 Monaten beschäftigt und geht ihr die Kündigung am 01.10.2020 zu, kann das Arbeitsverhältnis erst zum Ende des Folgemonats enden, also am 30.11.2020.
Bisherige Rechtsprechung: GmbH-Geschäftsführer bei Kündigungsfrist Arbeitnehmern gleichgestellt
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der Vergangenheit wiederholt entschieden, dass bei Fehlen von Regelungen zu den Kündigungsfristen im Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers § 622 – also die längeren Kündigungsfristen des Arbeitsverhältnisses – gelten. Diese Fristen sollten jedenfalls dann gelten, wenn der Geschäftsführer wirtschaftlich von der Gesellschaft abhängig ist. Denn dann, so der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit, läge eine planwidrige Regelungslücke durch den Gesetzgeber vor, verbunden mit einer gegenüber Arbeitnehmern vergleichbaren Interessenlage.
Das Bundesarbeitsgericht ist dieser Rechtsprechung aktuell entgegengetreten und hat geurteilt, dass auf Anstellungsverträge der GmbH-Geschäftsführer § 621 BGB – also die kürzeren Kündigungsfristen des freien Dienstverhältnisses – anzuwenden sind.
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Wie kam der Fall zum Gericht?
Der Arbeitgeber betreibt eine Rehaklinik. Die Gesellschafterversammlung bestellte im Juli 2009 die bis dahin als Verwaltungsleiterin tätige spätere Klägerin zur Geschäftsführerin. Der in diesem Zusammenhang geschlossene Anstellungsvertrag sollte sämtliche zwischen den Parteien bestehenden sonstigen Regelungen ersetzen.
Die Gesellschafterversammlung beschloss am 28.02.2018 die ordentliche Kündigung der späteren Klägerin und ihre Abberufung als Geschäftsführerin. Mit Schreiben vom 27.02.2018 kündigte die Beklagte das Anstellungsverhältnis ordentlich zum 31.05.2018.
Die Geschäftsführerin erhob gegen diese Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht. Sie argumentierte, sie sei bei Zugang der Kündigung Arbeitnehmerin gewesen. Über die für das Amt einer Geschäftsführerin prägenden Verantwortungs- und Entscheidungskompetenzen habe sie zuletzt nicht mehr verfügt. Unstreitig war die Klägerin im Januar 2018 von einer Managementkonferenz ausgeladen worden und erhielt ab Mitte Februar 2018 keine Auszüge über den Kontostand der Klägerin mehr. Die Kündigung sei eine Reaktion auf von ihr geäußerte Kritik an der Geschäftspolitik des Vereins, dessen Tochtergesellschaft die Klinik ist. Sie verstoße daher gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
Das Urteil: Kündigungsfristen des Dienstverhältnisses gelten
Das Bundesarbeitsgericht hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt, wonach lediglich bis zum 30.06.2018 ein Anstellungsverhältnis – und kein Arbeitsverhältnis – bestanden hat (Urteil vom 11.06.2020, 2 AZR 374/19).
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung Geschäftsführerin der Klinik war. Sie war daher im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG Organmitglied der Klinik. Dafür, dass ihr die Stellung als Geschäftsführerin in rechtsmissbräuchlicher Weise lediglich deshalb belassen worden war, um ihr Anstellungsverhältnis einfacher kündigen zu können als ein Arbeitsverhältnis, gab es keine Anhaltspunkte. Dass die Geschäftsführerin in so starker Weisungsgebundenheit stand, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmerin schließen ließe, hat das Bundesarbeitsgericht nicht angenommen. Zwar seien der Klägerin in erheblichem Umfang Kompetenzen entzogen worden, dadurch habe sich aber das Anstellungsverhältnis nicht zu einem Arbeitsverhältnis gewandelt. Hierfür fehlte es nach den Feststellungen des Gerichts bis zum Schluss des Anstellungsverhältnisses an der erforderlichen Weisungsgebundenheit.
Da die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin tätig wurde, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich des Maßregelungsverbots (§ 612a BGB). Der durch die geäußerte Kritik der Klägerin bei der Gesellschafterversammlung entstandene Vertrauensverlust durfte nach Ansicht des Gerichts mithin zu dem Schluss der Gesellschaft führen, dass eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit beeinträchtigt sei. Dies sei kein verwerfliches Motiv für die Kündigung.
Das Gericht bestätigte sodann die gewählte Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluss des Kalendervierteljahres. § 622 Abs. 2 BGB war nicht anzuwenden. Da § 621 BGB eine Regelung für freie Dienstverhältnisse trifft, läge keine planwidrige Regelungslücke durch den Gesetzgeber vor. § 622 BGB analog anzuwenden sei daher nicht möglich. Ob die längeren Fristen nach § 622 interessengerechter seien, sei daher ohne Bedeutung. Die Vergütung war in dem zu entscheidenden Fall als Jahresgehalt bemessen, so dass die Kündigungsfrist sechs Wochen zum Quartalsende betrug. Obwohl sich das Bundesarbeitsgericht mit diesem Urteil in Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs setzt, war eine Vorlage an den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes aus Sicht des BAG entbehrlich. Die Entscheidungen des BGH sind ergangen, bevor der Gesetzgeber den § 622 BGB neu gefasst hat. Aus diesem Grunde lag aus Sicht des BAG keine Divergenz in der Rechtsprechung vor, welche eine solche Vorlage erforderlich hätte machen können.
Fazit
Das Bundesarbeitsgericht hält sich mit seiner aktuellen Entscheidung eng am Gesetzestext und führt die Einstufung des GmbH-Geschäftsführervertrags als freien Dienstvertrag damit konsequent zu Ende. Die Entscheidung kann sich je nach vertraglicher Gestaltung und Länge der Beschäftigung hart für die Vielzahl an Fremd- und Minderheitsgeschäftsführer, welche einer ähnlichen Tätigkeit wie leitende Angestellte nachgehen, auswirken. Die Kündigungsfristen können hier vor allem im Fall der monatlichen Gehaltszahlung weit auseinanderfallen und rückwirkenden Rechtsschutz für alte Verträge mit schlichtem Verweis auf die gesetzlichen Fristen gibt es nicht. Gleichwohl werden die Arbeitsgerichte, vor denen Prozesse wie der aktuelle immer häufiger geführt werden, die höchstgerichtliche Rechtsprechung umsetzen.
(Künftige) Geschäftsführer/innen sollten das Urteil beachten und nach Möglichkeit in der Vertragsgestaltung auf angemessene Kündigungsfristen hinwirken.
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