Ausblick 2017 – Teil 1: Alles hat seine Zeitarbeit
Größere Gesetzesvorhaben sind wir im Arbeitsrecht gewohnt. Im Jahr 2014 Mindestlohngesetz und Tarifautonomiestärkungsgesetz, im Jahr 2015 Tarifeinheitsgesetz und Elterngeld-Plus, um nur ein paar wichtige zu nennen. Das Jahr 2016 war in dieser Hinsicht eher passiv, genau genommen bestand es aus dem Warten auf Nachbesserungen bei den Gesetzesentwürfen, die nun 2017 in Kraft treten.
Entsprechend bewegt wird das kommende Jahr aus arbeitsrechtlicher Sicht werden. Endlich wurde eine Definition des Arbeitsverhältnisses gesetzlich beschlossen, der neue § 611a BGB. Der Mutterschutz wird umgestaltet. In der Leiharbeit sind Kernpunkte im Fluss. Und Frau Ministerin Nahles schreibt an einem Weißbuch Arbeitsrecht, vor allem zur Flexibilisierung der Arbeitszeit.
Den Anfang macht das wohl umfangreichste Änderungsgesetz des kommenden Jahres, die – erneute – Reform des Arbeitnehmerüberlassungesetzes. Das neue Gesetz ist bereits beschlossen und wird zum 01.04.2017 in Kraft treten.
Zeitarbeit, auch Leiharbeit oder Arbeitnehmerüberlassung, ist ein Konzept, bei dem ein Arbeitsvertrag zwischen einem Verleihbetrieb und einem Arbeitnehmer geschlossen wird. Es handelt sich um ein gewöhnliches Arbeitsverhältnis, in dem Gehalt, Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet werden müssen. Die Besonderheit besteht darin, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt, sich zeitweilig „ausleihen“ zu lassen, also in einem anderen Betrieb Arbeiten verrichtet. Ein Arbeitsverhältnis besteht entsprechend nur zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer, der Verleiher und der Entleiher schließen einen (zeitlich begrenzten) Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Zwischen dem Entleiher und dem Arbeitnehmer besteht dagegen gar kein Vertragsverhältnis.
Mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.758,00 € liegen die Gehälter der Leiharbeitnehmer weit unter dem Bundesdurchschnitt in Höhe von 3.024,00 €. Das resultiert allerdings nicht alleine aus dem Umstand der Leiharbeit, sondern hat auch damit zu tun, dass Leiharbeit in Niedriglohnsegmenten häufiger vorkommt als in Hochlohnsegmenten. Ein knappes Drittel der Leiharbeitnehmer entfällt auf die Branchen Verkehr/Logistik, Sicherheit und Reinigung, ein weiteres knappes Drittel auf die Branchen Metall und Elektro.
Zeit- bzw. Leiharbeit ist ein atypisches Arbeitsverhältnis. Auf Leiharbeitnehmer sollen Unternehmen nach dem Wunsch des Gesetzgebers (nur) zurückgreifen, um durch das zeitweilige Ausleihen zusätzlicher Kräfte Auftragsspitzen abzufangen.
Es gibt aber immer mehr Leiharbeitnehmer in Deutschland, derzeit etwa 951.000. Zum Vergleich: Im Jahr 1985 gab es 42.000 Leiharbeitnehmer. Dadurch, dass Leiharbeitsverhältnisse im Durchschnitt sehr viel kürzer sind als gewöhnliche Arbeitsverhältnisse, nämlich unter drei Monaten, ist die Leiharbeitsbranche missbrauchsanfällig. So sieht es jedenfalls der Gesetzgeber und hat aus diese Gründen Schutzvorschriften zur Abwicklung des Arbeits- und des Auftragsverhältnisses im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt.
Insbesondere ist hier geregelt, dass derjenige, der Arbeitnehmer verleihen möchte eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung benötigt und dass die Vereinbarung schlechterer Arbeitsbedingungen als bei dem Entleihbetrieb vorherrschen zur Unwirksamkeit des Vertrags führen (Ausnahme: Spezielle Tarifverträge für die Zeitarbeit).
Arbeitskräfteüberlassung ist kein dauerhaftes Konzept oder soll es jedenfalls nicht sein. Allerdings waren Verstöße, also die faktische dauerhafte Überlassung, bisher sanktionslos.
Das wird sich zum 01.04.2017 ändern, der geplante § 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1 b sieht eine Höchstgrenze für die Überlassung eines Arbeitnehmers an dasselbe Unternehmen von 18 Monaten vor. Nach dieser Zeit muss sich der Entleiher von dem eingesetzten Arbeitnehmer trennen. Nach einer Pause von 3 Monaten beginnt die Frist erneut, derselbe Arbeitnehmer kann dann im selben Unternehmen erneut für maximal 18 Monate eingesetzt werden.
Achtung: Diese gesetzliche Anordnung werden Tarifverträge der Einsatzbranche anders regeln dürfen, wenn der Entleiher tarifgebunden ist – nach oben wie auch nach unten.
Das Gesetz sieht für Verstöße harte Sanktionen vor: Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kommt gegen dessen Willen ein Arbeitsverhältnis zustande. Dem Verleiher hingegen kann die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung insgesamt entzogen und darüber hinaus eine Geldbuße in Höhe von bis zu 30.000,00 € auferlegt werden.
Das aktuelle Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ordnet ausdrücklich an, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgeltes für Leiharbeitnehmer so sein müssen wie bei vergleichbaren Stammarbeitnehmern.
Warum wurde dennoch vielfach nach einer erneuerten Regelung zum Equal Pay gerufen? Weil durch eine schlichte Verweisung im Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag der Verleiherbranche von diesen Grundsätzen abgewichen werden kann.
Nach dem neu beschlossenen Gesetz erhält ein Leiharbeitnehmer nun spätestens nach 9 Monaten den gleichen Lohn wie ein Stammarbeiter in dem Entleihbetrieb, der vergleichbare Arbeiten erledigt. Das oben geschilderte Vorgehen darf daher nur noch für diese Zeitspanne praktiziert werden. Auch diese Regelung wird durch Tarifverträge abänderbar sein, allerdings nur noch durch brancheneinschlägige Tarifverträge und auch nur in Grenzen: Führt ein Tarifvertrag durch Branchenzuschläge beginnend spätestens nach 6 Wochen stufenweise zu einer Aufstockung bis zum gleichwertigen Arbeitsentgelt, darf diese Zeitspanne bis zu 15 Monaten dauern.
Problematisch für den Verleiher dürfte wie bisher werden, das gleichwertige Arbeitsentgelt überhaupt auszumachen, da die Tarifwerke verschiedene Eingruppierungen und Zuschläge vorsehen. Gleichwohl wird es ab Inkrafttreten der Regelung risikoreich sein, nach Ablauf der obigen Zeitspanne nicht gleiches Entgelt zu zahlen, denn dies kann neben einem erheblichen Bußgeld für den Verleiher zu einem Widerruf der Überlassungserlaubnis führen.
Ein Verleiher benötigt eine Erlaubnis. So schlicht das klingt, so einfach ist es in der Praxis nicht immer. Es gibt Fälle, in denen nicht klar ist, ob Arbeitnehmer schlicht im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrags in einen anderen Betrieb entsendet werden oder ob sie so in den anderen Betrieb eingegliedert werden, dass es sich schon um (verdeckte) Leiharbeit handelt. Bei Zweifeln wurde bislang häufig eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „für den Fall der Fälle“ beantragt und konnte nachträglich vorgelegt werden.
Damit ist nun Schluss. Nach § 1 Abs. 1 S. 6 des neuen AÜG müssen vor Beginn der Überlassung die eingesetzten Leiharbeitnehmer konkret benannt werden. Verdeckte Leiharbeit wird künftig von dem Gesetzgeber ebenso wie das Überschreiten der Überlassungshöchstdauer sanktioniert: Es entsteht ein Arbeitsverhältnis zu dem (ungewollten) Entleiher, hierneben drohen Bußgelder und der Verlust der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.
Verleiht ein mit einer Erlaubnis ausgestatteter Verleihbetrieb einen Arbeitnehmer und wird dieser von dem Entleiher wiederum in einem anderen Betrieb eingesetzt, steigt das Risiko, dass Schutzstandards für Leiharbeitnehmer nicht mehr eingehalten werden. Aus diesem Grunde untersagt die Bundesagentur für Arbeit Ketten-, Zwischen und Weiterverleihung.
Das Gesetz war da bisher nicht so eindeutig. Künftig heißt es aber in § 1 des neuen AÜG, dass Arbeitnehmerüberlassung nur dann vorliegt, wenn der Leiharbeitnehmer weisungsgebunden in die Organisation des Entleihers eingegliedert ist, zum Verleiher ein Arbeitsverhältnis besteht und die Überlassungshöchstdauer eingehalten ist. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird wiederum mit Sanktionen sichergestellt. Damit ist für Ketten- oder Zwischenverleihung kein Raum mehr.
Haben Sie Fragen zu dem Thema Leiharbeit bzw. Zeitarbeit? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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