„Ich stech dich ab!“ kostet den Job. Fristlos.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.06.2017
Konflikte im Arbeitsleben gehören leider manchmal dazu und müssen dann gelöst werden – entweder miteinander oder durch eine Trennung, sprich durch eine Kündigung. Es gibt aber auch Vorfälle, in denen eine geplante, ordentliche Trennung schon nicht mehr möglich ist, weil die Zusammenarbeit von einer Sekunde auf die andere unzumutbar wird.
In diesem Fall greift der – meistens Arbeitgeber – zur außerordentlichen bzw. fristlosen Kündigung. Hierfür bedarf es zweier Voraussetzungen: Es muss einen wichtigen Grund geben, warum das Arbeitsverhältnis sofort und nicht erst mit Ablauf der Kündigungsfrist enden soll. Außerdem muss die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist eingehalten sein. Die Details zum Thema haben wir hier besprochen.
Was ist nun ein wichtiger Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung?
Diebstahl? Ja, schon. Aber jeder Diebstahl, auch eine Büroklammer? Da wird es schon schwieriger (mehr zu diesen so genannten Bagatellkündigungen hier).
Beleidigungen? Können für eine fristlose Kündigung reichen, aber außerhalb von Kundenverkehr oder Öffentlichkeit nur, wenn sie entsprechend grob sind. „Schlampe“ zur Vorgesetzten: reicht (das Urteil haben wir hier besprochen). „Jawohl, mein Führer.“ zum Vorgesetzten: reicht (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.08.2011, Az. 2 Sa 232/11). Ein „Jetzt stellen Sie sich mal nicht so an“ oder „Sie Pedant sind doch eh nie zufrieden“ an einem stressigen Tag würde hingegen nicht reichen. Selbst „Sie sind ein Lügner“ reicht für eine außerordentliche (!) Kündigung nicht unbedingt (Arbeitsgericht Frankfurt a.M., Az. 3 Sa 1662/99). Wechselseitig ausgetauschte Beleidigungen rechtfertigen ohnehin nur ausnahmsweise eine fristlose Kündigung, jedenfalls wenn der Schweregrad sich gleicht. Das Gericht berücksichtigt neben anderen Faktoren übrigens auch den allgemeinen Umgangston, auf dem Bau und in der Küche wird üblicherweise ein rauherer Ton geduldet als in einer Bankfiliale.
Es gibt also viel Graubereich bei fristlosen Kündigungen, frei nach dem Motto: Jeder Fall ist ein Einzelfall.
Deutlich einfacher hatte es aktuell das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Das Gericht hatte zu beurteilen, ob eine Morddrohung gegenüber dem Vorgesetzten eine fristlose Kündigung begründen kann und kam zu dem wenig überraschenden Urteil, dass das so ist.
Was war passiert? Anruf aus der Telefonzelle: „Ich stech` dich ab!“
Der Arbeitnehmer war Sachbearbeiter im Landeskriminalamt (LKA) und dort bereits seit 24 Jahren beschäftigt. Er geriet häufiger mit seinem Vorgesetzten aneinander, im Jahr 2012 eskalierte der Streit. Anlass war die Tatsache, dass der Vorgesetzte Kostenerstattung für Kopien verlangte, die der Mitarbeiter anlässlich seiner Aufstellung zur Wahl für den Personalrat gefertigt hatte. Der Mitarbeiter zeigte seinen Vorgesetzten wegen Nötigung an, gegen ihn selbst wurde sodann allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges eingeleitet, welches mit einer Verurteilung endete.
In einer der verschiedenen Meinungsstreitigkeiten soll der Arbeitnehmer im Jahr 2013 sodann seinen Sachgebietsleiter mit den Worten angeschrien haben: „Ich bin Ihre Schikanen leid, gegen Sie mir eine Waffe, dann…!“
Am 19.12.2014 abends rief der Mitarbeiter sodann – so steht es zur Überzeugung der Gerichte fest – über eine Telefonzelle den Vorgesetzten auf seinem Mobiltelefon an. Er gab sich nicht zu erkennen, begann das Gespräch jedoch nach der glaubhaften Aussage des Sachgebietsleiters mit den Worten: „Ich kenne Sie, Sie kennen mich. Ich bin Ermittler im LKA. Sie kennen mich. Ich habe Sie damals angezeigt.“ Sodann entspann sich ein Gespräch, bei dem der Anrufen ins Du wechselte und unter anderem sagte: „Ich stech` dich ab!“. Der Anrufer teilte weiter mit, er habe Anschrift und Telefonnummer des Angerufenen.
Daraufhin wurde dem Mitarbeiter fristlos gekündigt. Dieser erhob Kündigungsschutzklage insbesondere mit dem Argument, er habe den Anruf nicht durchgeführt.
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Die Urteile: Fristlose Kündigung rechtmäßig
Sowohl das Arbeitsgericht in erster Instanz wie auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in zweiter Instanz sind nach der Vernehmung des angerufenen Sachgebietsleiters zu der Überzeugung gekommen, dass der Anruf sich so zugetragen hatte wie auch, dass der Kläger der Anrufer war (Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.06.2017, Az. 11 Sa 823/16).
In beiden Instanzen bekam dem Arbeitgeber Recht, die Kündigungsschutzklage wurde zurückgewiesen und die fristlose Kündigung war daher wirksam. Zur Begründung führten beide Gerichte aus, dass die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung des Arbeitgebers oder einer seiner Repräsentanten – und übrigens auch der Arbeitskollegen – einen so erheblichen Pflichtenverstoß darstellt, dass ein solcher Vorfall geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Das Ankündigen eines Verbrechens gegen das Leben und die Gesundheit ist eine solche nachhaltige Bedrohung. Eine vorherige Abmahnung sei wegen der Schwere des Vorfalls nicht erforderlich gewesen.
Fazit
Der Fall ist rechtlich klar: Wird ein Vorgesetzter durch einen Arbeitnehmer mit dem Tod bedroht, ist es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis weiterzuführen und zwar auch nicht, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, welche hier mindestens acht Monate betragen hätte. Da helfen dem Arbeitnehmer weder eine lange Betriebszugehörigkeit noch ein bisher beanstandungsfreies Arbeitsverhältnis, welches hier aber auch nicht vorlag.
Zu beachten hat der Arbeitgeber aber immer die Beweislastverteilung. Der Arbeitgeber muss den Vorwurf darlegen und beweisen können. Das geschah hier durch die Vernehmung des bedrohten Sachgebietsleiters und da die restlichen Indizien „passten“. Das Gericht gewann im Ergebnis die „zur Verurteilung erforderliche Gewissheit.“, dass der Kläger der Anrufer war und die Drohung geäußert hat.
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