An einem Büroarbeitsplatz kann ein Arbeitnehmer in der Regel seinen betrieblichen E-Mail-Account selbst verwalten. Zugleich kommt es inzwischen häufiger als noch vor einigen Jahren vor, dass Arbeitnehmer auch zu Hause auf ihre dienstlichen E-Mails Zugriff nehmen (möchten). Diese Entwicklung führt zu neuen arbeitsrechtlichen Fragen. Eine dieser Fragen lautet, wann ein Arbeitnehmer von welchem Gerät aus seine betrieblichen E-Mails einsehen darf und ob es zulässig ist, berufliche E-Mails auf andere Accounts weiterzuleiten.
Ist dieser Punkt im Arbeitsvertrag nicht bedacht worden, entscheiden die Umstände, ob eine weitergeleitete E-Mail für den Arbeitnehmer unproblematisch ist oder eine Pflichtverletzung des Arbeitsverhältnisses darstellt, die zur Kündigung führen kann.
Der entscheidende Paragraph in diesem Zusammenhang ist § 241 Abs. 2 BGB, der die „allgemeine Rücksichtnahmepflicht“ regelt. Jeder Arbeitnehmer ist danach qua Arbeitsverhältnis verpflichtet, eine gewisse Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren. Arbeitnehmern ist es aus diesem Grunde untersagt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers dessen Betriebsgeheimnisse anzueignen, betriebliche Unterlagen in Besitz zu nehmen und / oder mit diesen Informationen betriebsfremde Zwecke zu verfolgen. Handelt es sich um in keiner Weise geschäftlich verwertbare Informationen und wird die Nachricht auch niemandem sonst zugänglich gemacht, kann der Arbeitgeber zwar immer noch den Datentransfer auf einen privaten E-Mail-Account gesondert untersagen; ist das aber nicht geschehen, dürften an eine Weiterleitung einer solchen E-Mail auf einen privaten E-Mail-Account keine arbeitsrechtlichen Folgen geknüpft werden. Allerdings dürfte es höchst selten vorkommen, dass betriebliche E-Mails keinerlei Informationen enthalten, die Geheimnischarakter haben. Hierunter fallen nämlich nahezu alle geschäftsrelevanten Daten, z.B. Kundenlisten, Kalkulationen, Vertragsentwürfe, Gewinn- und Umsatzzahlen und vieles mehr. Die Vervielfältigung solcher Informationen ist ohne das ausdrückliche Einverständnis des Arbeitgebers untersagt, wie das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2014 noch einmal ausdrücklich klargestellt hat (BAG, Urteil vom 08.05.2014, Az. 2 AZR 249/13). Da Vervielfältigen auch die Weiterleitung per E-Mail bedeutet, ist hier also für Arbeitnehmer höchste Vorsicht geboten. Ein zweites Verbot schließt hieran an: Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist es einem Arbeitnehmer sogar unter Strafandrohung untersagt, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse an einen Dritten weiterzuleiten oder dies vorzubereiten.
Leitet sich also ein Arbeitnehmer sensible Daten auf seinen privaten E-Mail-Account oder gar einen anderen E-Mail-Account weiter, begeht er eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Da es sich bei diesem Bereich um den Kern des arbeitsvertraglichen Vertrauens handelt, kann dieses Verhalten auch grundsätzlich eine Kündigung begründen. Je nach Motivation des Arbeitnehmers und den nachteiligen Folgen auf Arbeitgeberseite ist sogar eine fristlose Kündigung möglich.
Einen entsprechenden Fall hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem aktuell veröffentlichten Urteil zu entscheiden (Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 16.05.2017, Az. 7 Sa 38/17).
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Was war passiert?
Der Arbeitnehmer war seit dem Jahr 2006 in verantwortlicher Position bei einem Industrie-Unternehmen beschäftigt und verfügte dort über ein dienstliches Notebook. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass Daten und Informationen, die auf privaten elektronischen Datenträgern gespeichert sind, auf Verlangen sofort, spätestens aber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu löschen seien.
Im Jahr 2015 nahm der Arbeitnehmer aus Unzufriedenheit mit dem Arbeitsverhältnis Kontakt mit anderen Unternehmen auf. Mit einem Konkurrenzunternehmen wurde der Arbeitnehmer einig und erhielt per E-Mail von dort den Entwurf eines Arbeitsvertrages übersandt. Die Nachricht mit dem Vertragsentwurf leitete er auf seinen betrieblichen E-Mail-Account weiter und ließ sich von einer Mitarbeiterin den geldwerten Vorteil hinsichtlich seines zukünftigen Dienstwagens ausrechnen. Einige Tage später sandte der Arbeitnehmer von seinem betrieblichen Account aus dienstliche E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account. Inhalt dieser E-Mails waren unter anderem technische Daten und Vertragsentwürfe eines von einem Kollegen betreuten Projekts. Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine fristlose Kündigung aus.
Der Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung und argumentierte, er habe bereits seit Jahren E-Mails an seine private E-Mail-Adresse übersandt, um von zu Hause aus zu arbeiten, ohne dass dies jemals beanstandet worden sei. Er habe diese E-Mails insbesondere dazu benötigt, zu Hause seine Kontaktdaten abgleichen zu können. Die E-Mails, die ein von seinem Kollegen betreutes Projekt betroffen hätten, habe er nach Hause gesandt, um sich über dieses Projekt zu informieren, da ihn der Mitarbeiter eines Kunden auf dieses Projekt angesprochen habe. Der Arbeitgeber war hingegen der Auffassung, der Arbeitnehmer habe die dienstlichen Daten seinem künftigen Arbeitgeber zur Verfügung stellen wollen und so eine Konkurrenz-Tätigkeit vorbereiten wollen.
Urteil des Landesarbeitsgerichts: Fristlose Kündigung wirksam
Das in erster Instanz angerufene Arbeitsgericht hatte geurteilt, dass die fristlose Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis daher weiterhin bestehen blieb. Das Gericht begründete das Urteil damit, dass die Weiterleitung der betrieblichen E-Mails an den privaten E-Mail-Account von dem Arbeitsvertrag gedeckt gewesen sei. Der Verdacht des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer die dort enthaltenen Daten Dritten zugänglich machen wollte, ließ sich nach Ansicht des Gerichts nicht erhärten.
Das Landesarbeitsgericht änderte dieses Urteil in zweiter Instanz ab, erklärte die Kündigung für wirksam und das Arbeitsverhältnis für beendet. Diese Entscheidung begründete das Landesarbeitsgericht damit, dass der Arbeitnehmer als Nebenpflicht des Arbeitsverhältnisses verpflichtet war, die Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb verlangt werden konnte. Diese Rücksichtnahmepflicht verbot es dem Arbeitnehmer, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Da die weitergeleiteten E-Mails Dienstgeheimnisse enthielten, unter anderem Kalkulationsunterlagen eines fremden Projektes, stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger eine Konkurrenztätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber vorbereiten wollte. Die Weiterleitung der E-Mails war nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht von dem Arbeitsvertrag umfasst. Im Arbeitsvertrag war zwar geregelt, dass der Arbeitnehmer auf Verlangen sofort oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf privaten Datenträgern gespeicherte Daten und Informationen löschen muss. Das ersetzt allerdings nicht die konkrete Genehmigung, sensible Daten auf private E-Mail-Accounts weiterzuleiten, sondern regelt lediglich Streitigkeiten darüber, wem bei einer Speicherung auf einem privaten Datenträger die Entscheidungs- und Verfügungsgewalt über diese Daten zusteht.
Im Ergebnis erklärte das Gericht daher die fristlose Kündigung für wirksam, da die E-Mails sensible Daten enthielten, welche sich der Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Zustimmung angeeignet hatte.
Fazit: Sorgfältige Trennung ratsam
Auch wenn sich mancher Arbeitnehmer bei der Weiterleitung betriebliche E-Mails auf private Accounts nichts Böses denkt: Es dürfte die Regel darstellen, dass diese E-Mails vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse enthalten. An dem Schutz dieser Daten hat ein Arbeitgeber ein massives Interesse. Arbeitsrechtlich ist daher bereits das schlichte Weiterleiten dieser Daten ohne Zustimmung des Arbeitgebers eine Pflichtverletzung. Das ist selbst dann der Fall, wenn das Motiv des Arbeitnehmers ausschließlich darin liegt, zu Hause an diesen Unterlagen zu arbeiten. Sobald die Interessen des Arbeitnehmers zusätzlich geschäftsschädigend sind – insbesondere also die Weiterleitung dieser Daten an Dritte geplant ist – kann der Arbeitgeber sogar fristlos kündigen.
Ein lockerer Umgang mit betrieblichen E-Mails ist also keinesfalls zu empfehlen. Bei Unsicherheiten sollten Arbeitnehmer die Zustimmung ihres Vorgesetzten einholen. Arbeitgebern hingegen ist zu raten, diesen Punkt im Arbeitsvertrag deutlich zu regeln.
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