Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2018
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nehmen Arbeitgeber in den Arbeitsvertrag auf, um sich gegen unerwünschte Konkurrenz durch nach ihrem Austritt mit Know how und Insiderwissen ausgestattete Arbeitnehmer zu schützen. Dafür, dass Arbeitnehmer sich im Anschluss an ihre Tätigkeit einer direkten Geschäftskonkurrenz enthalten, haben sie Anspruch auf eine Zahlung. Aus diesem Grunde nutzen Arbeitgeber diese Möglichkeit zumeist nicht bei jedem Angestellten, sondern nur bei solchen in sensiblen Positionen.
Voraussetzung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots: Zusage der Karenzentschädigung
Gegen Zahlung mindestens der Hälfte des bisherigen Gehaltes (Karenzentschädigung) ist es dem Arbeitgeber sodann gestattet, ehemaligen Mitarbeitern für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren in einem örtlichen angemessenen Rahmen die Aufnahme einer gleichen oder gleichartigen Tätigkeit zu untersagen. Was bereits Konkurrenztätigkeit in diesem Sinne ist und was noch nicht, haben wir hier besprochen.
Sieht der Arbeitsvertrag zwar ein Wettbewerbsverbot, aber keine Karenzentschädigung vor, hat diese Klausel rechtlich keinerlei Wirkung (nichtiges Wettbewerbsverbot). Der Arbeitnehmer ist also an das „Wettbewerbsverbot“ nicht gebunden, kann aber auch für die Einhaltung desselben nichts verlangen.
Ist zwar eine Karenzentschädigung zugesagt, erreicht diese aber nicht die erforderliche Höhe – die Hälfte des bisherigen Gehaltes einschließlich etwaiger anteiliger Prämien (!) – kann der Arbeitnehmer zwischen Einhaltung und Nichteinhaltung wählen (unverbindliches Wettbewerbsverbot). Der Arbeitnehmer kann das Wettbewerbsverbot ignorieren, dann aber auch keine Zahlung verlangen; weder die zu niedrige noch die korrekte. Hält er das Wettbewerbsverbot hingegen ein, kann er die vertraglich festgesetzte Zahlung beanspruchen.
Schließlich ist es möglich, dass der Arbeitgeber die Karenzentschädigung zwar in wirksamer Weise zusagt, sie dann aber schlicht nicht zahlt. Das ist grundsätzlich keine Frage des Anspruchs, dieser besteht nach den vorangegangenen Grundsätzen. Hier geht es eigentlich „nur“ um die Durchsetzung dieses Anspruchs. Auch hierbei gibt es aber rechtliche Besonderheiten zu beachten, wie ein Arbeitnehmer aktuell vor dem Bundesarbeitsgericht erfahren hat.
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Was war passiert? Arbeitgeber zahlt Karenzentschädigung nicht, Arbeitnehmer schreibt wütende E-Mail
Der Arbeitnehmer und spätere Kläger war seit dem Jahr 2014 als technischer Leiter bei dem Arbeitgeber beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag sah ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von drei Monaten gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von 50 % des bisherigen Gehaltes vor. Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2016 und forderte Anfang März 2016 seinen ehemaligen Arbeitgeber vergeblich zur Zahlung der Karenzentschädigung auf. In einer weiteren E-Mail vom 08.03.2016 schrieb der Arbeitnehmer sodann: “(…) möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich ab sofort nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle.” Die Karenzentschädigung für drei Monate klagte er anschließend vor dem Arbeitsgericht ein. Der Arbeitgeber war der Ansicht, mit seiner E-Mail habe sich der Arbeitnehmer einseitig vom Wettbewerbsverbot losgesagt und daher keinen Anspruch auf eine Zahlung. Dem hielt der Arbeitnehmer entgegen, es habe sich bei der E-Mail lediglich um eine „Trotzreaktion“ gehandelt, die keine rechtliche Wirkung habe.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Zahlung nur für die Zeit bis zum Rücktritt
Das Bundesarbeitsgericht sprach dem Arbeitnehmer den Anspruch auf Karenzentschädigung zwar nicht vollständig ab, wie noch das Arbeitsgericht in erster Instanz (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2018, Az. 10 AZR 392/17). Allerdings beurteilte es die E-Mail des Klägers vom 08.03.2016 durchaus als einen Rücktritt im rechtlichen Sinne. Dieser Rücktritt war dem Kläger auch möglich, da die Karenzentschädigung auf seine Fristsetzung hin nicht gezahlt wurde. Die Folge war, dass der Kläger ab dem 08.03.2016 nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden war, aber mit diesem Zeitpunkt auch seinen Zahlungsanspruch verloren hatte. Der Arbeitgeber musste also lediglich für den Zeitraum von gut zwei Monaten statt der ursprünglichen drei Monate zahlen.
Fazit
Der Arbeitnehmer hatte hier durch seine Fristsetzung den Arbeitgeber in Verzug gesetzt (§ 286 BGB). Da es sich bei dem Wettbewerbsverbot um eine beidseitige Vereinbarung im Arbeitsvertrag handelt, ist die nächste rechtliche Option bei Nichtzahlung der Rücktritt von dieser vertraglichen Regelung. Dabei muss im Rechtsverkehr derjenige, der zurücktreten möchte, nicht zwingend das Wort „Rücktritt“ verwenden. Es genügt, wenn er deutlich macht, an die Vereinbarung nicht mehr gebunden sein zu wollen. Genau das hatte der Kläger hier in seiner E-Mail geschrieben. Auch wenn er dies so nicht beabsichtigt hatte, musste er sich deshalb an den Rechtsfolgen dieser Erklärung festhalten lassen. Er war folglich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden, verlor aber auch den Anspruch auf die Gegenleistung, also den Zahlungsanspruch. Für den Arbeitnehmer Glück im Unglück: Das Bundesarbeitsgericht ist der Ansicht, dass ein solcher Rücktritt nicht vollständig wirkt, sondern erst ab seinem Ausspruch und dann für die Zukunft („ex nunc“ = lat. „ab jetzt“).
Arbeitnehmer, denen die wirksam zugesagte Karenzentschädigung auch auf Fristsetzung hin nicht gezahlt wird, haben also die Möglichkeit des Rücktritts von dem Wettbewerbsverbot. Das kann sehr hilfreich sein, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich in Wettbewerb eintreten möchte. Klar muss aber sein, dass ab diesem Zeitpunkt auch die Gegenleistung wegfällt. Diese Entscheidung sollte also wohlüberlegt sein.
Augenmerk sollten Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang auch auf vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen legen: Wird die Geltendmachung der Karenzentschädigung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die lange Bank geschoben, droht Anspruchsverlust! (Näher zu diesem Thema hier).
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