Befristungsabrede nur mit zertifizierter elektronischer Signatur
Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.09.2021
Befristete Arbeitsverträge sind weit verbreitet. Der Befristungsgrund kann durch äußerliche Umstände wie eine Elternzeitvertretung oder Projektmittelbefristung bedingt sein oder es handelt sich um eine reine Zeitbefristung, eine so genannte sachgrundlosen Befristung.
Die Befristungsabrede bewirkt, dass das Arbeitsverhältnis mit Eintritt des Befristungsdatums/-ereignisses endet, eine Kündigung muss nicht ausgesprochen werden. Dieser Umstand kann gravierende Unterschiede in der rechtlichen Beurteilung bedeuten. So stünden Arbeitnehmern in Betrieben ab einer Größe von mehr als 10 Mitarbeitenden im Fall einer Kündigung Rechte aus dem allgemeinen Kündigungsschutz und unter Umständen auch besondere Kündigungsschutzrechte aufgrund von Schwerbehinderung oder Schwangerschaft zu. Diese Rechte greifen jedoch nicht im Fall einer Befristung, da hier gerade keine Kündigung erfolgt.
Entspricht die Befristung allerdings nicht den rechtlichen Vorgaben, kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht eine so genannte Entfristungsklage nach § 16 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) einreichen. Im Erfolgsfall wird das Arbeitsgericht feststellen, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet (weiter-)besteht, ebenso wie es im Fall einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage wäre.
Welche Gründe können zur Unwirksamkeit der Befristung führen? Neben den zeitlich-inhaltlichen Rahmenbedingungen muss die Befristung insbesondere einer formalen Vorgabe genügen: Dem Schriftformgebot nach § 14 Abs. 4 TzBfG. In der Regel ist die Befristungsabrede in den Arbeitsvertrag integriert, in diesem Fall muss der gesamte Arbeitsvertrag schriftlich abgeschlossen werden.
Was regelt das Schriftformgebot im Befristungsrecht?
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter „schriftlich“ jede Art von Text verstanden, also auch E-Mails, Textbeiträge auf Internetseiten u.s.w.. Im juristischen Sinn wird dieser Begriff allerdings deutlich strenger verstanden
§ 126 BGB
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. (…)
§ 126 Abs. 3 gestattet die Ersetzung dieser Form durch die elektronische Form. Auch dieser Begriff ist allerdings juristisch strenger definiert als im allgemeinen Sprachgebrauch:
§ 126a BGB
(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.
(2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in Absatz 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren.
Die qualifizierte elektronische Signatur (QES), auch digitales Zertifikat, wird im Signaturgesetz geregelt. Zur Nutzung bedarf es der Nutzung eines Zertifizierungsdienstes, der bei der Bundesnetzagentur akkreditiert ist. Entspricht die elektronische Kommunikation nicht dieser Anforderung, kann sie die Schriftform nicht ersetzen; das gilt insbesondere für E-Mails und De-Mails sowie Unterschriften auf elektronischen Schreibtabletts.
Einen Grenzfall in diesem Bereich hatte zuletzt das Arbeitsgericht Berlin zu entscheiden:
Der Fall: Befristeter Arbeitsvertrag mit „einfacher“ elektronischer Signatur
Der spätere Kläger wurde zum 15.08.2018 mit einem befristeten Arbeitsvertrag als Mechatroniker eingestellt. Den entsprechenden Arbeitsvertrag unterzeichneten beide Parteien elektronisch mit der Anwendung „e-Sign“. Dies geschieht mit einem sog. e-Sign-Workflow, wobei das Einloggen im System über den persönlichen Mitarbeiteraccount erfolgt. Für alle „e-Signs“ wird eine individuelle ID-Nummer generiert, bei diesem e-Sign klickt der Betreffende sodann auf „unterzeichnen“ bzw. „akzeptieren“. Sobald sämtliche erforderlichen „Unterschriften“ erfolgt sind, wird eine pdf-Datei des Dokuments nebst einer Liste der jeweiligen Entscheidungen (akzeptiert bzw. abgelehnt) generiert.
Der Arbeitnehmer beantragte bei dem Arbeitsgericht die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung geendet hat, sondern unbefristet fortbesteht. Als Argument führte er an, dass dem befristeten Vertrag die Schriftform fehle, denn die genutzte elektronische Signatur stelle keine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des Gesetzes dar. Der Arbeitgeber war hingegen der Ansicht, die Unterzeichnung des Vertrags mit „e-Sign“ genüge den gesetzlichen Anforderungen an eine elektronische Signatur.
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Das Urteil: Betriebsinterner „e-Workflow“ erfüllt nicht das Schriftformgebot
Das Gericht urteilte, dass das Vorgehen des Arbeitgebers nicht die Voraussetzungen an eine qualifizierte elektronische Signatur erfüllte und daher die Schriftform nicht ersetzen konnte. Die Befristungsabrede war daher unwirksam, so dass das Arbeitsverhältnis weiter besteht (Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.09.2021, Az. 36 Ca 15296/20). Die Berufung zum Landesarbeitsgericht ist zugelassen.
Nach Ansicht des Arbeitsgerichts entsprach der vorgenommene „e-workflow“ zwar Art. 26 der europäischen Signaturverordnung. Hiernach liegt eine fortgeschrittene elektronische Signatur vor, wenn sie eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet ist (Art. 26 Buchst. a) eIDAS-VO), die Identifizierung des Unterzeichners ermöglicht (Art. 26 Buchst. b) eIDAS-VO), unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellt wird, die der Unterzeichner mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden kann (Art. 26 Buchst. c) eIDAS-VO), ferner muss sie so mit den auf diese Weise unterzeichneten Daten verbunden sein, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann (Art. 26 Buchst. d) eIDAS-VO). Allerdings mangelte es – nach Ansicht des Gerichts ausschließlich – an der nach § 17 VDG erforderlichen Zertifizierung.
Fazit: Ohne Zertifikat keine Ersetzung der Schriftform
Das Urteil überrascht angesichts der grundsätzlich engen Auslegung des Befristungsrechts durch die Arbeitsgerichte nicht, zumal die Ersetzung der Schriftform durch qualifizierte elektronische Signatur detailliert geregelt ist. Interessant ist es gleichwohl, denn es zeigt, dass die Gerichte (zumindest hier in der ersten Instanz) auch durchaus den europäischen Vorgaben gleichwertig aufwendige elektronische Unterzeichnungsvorgänge nicht gelten lassen. Dies sollten sich insbesondere Arbeitgeber, die elektronische workflows nutzen, merken – hier muss dann einstweilen doch die Befristungsabrede auf Papier mit Originalunterschrift vorgenommen werden. Für Arbeitnehmer hingegen, die einen Befristungsvertrag elektronisch geschlossen haben, kann ein Blick auf die Voraussetzungen der Signaturverordnung lohnen.
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