Doch keine 40 € Strafe für säumige Arbeitgeber
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.09.2018
Zum 15., zum Letzten, zum Ersten… wann muss eigentlich Gehalt gezahlt werden?
Da beinahe alle Arbeitnehmer zum Monatsersten umfangreiche laufende Verpflichtungen wie Mietzahlungen zu erfüllen haben, wird das Gehalt sehr häufig gegen Ende des Monats gezahlt. Ein Anspruch hierauf besteht aber in der Regel nicht.
Steht zu diesem Thema nichts im Arbeitsvertrag oder wird dort auf die gesetzlichen Regelungen verwiesen, ist es ausreichend, wenn das Gehalt am ersten Tag des auf die Arbeitsleistung folgenden Monats auf dem Konto des Arbeitnehmers eingeht. Denn: Das Gehalt ist ein Entgelt, dass für Zeitabschnitte (hier Monate) zu entrichten ist. Und dann darf es nach Ablauf des Zeitabschnittes gezahlt werden, § 614 BGB. Andererseits muss das Entgelt aber auch unmittelbar nach dem Zeitabschnitt gezahlt werden, also definitiv am ersten Tag des Folgemonats und nicht etwa später. Der so genannte Zahlungsverzug tritt also üblicherweise am 2. Tag des auf die Arbeitsleistung folgenden Monats ein.
Welche Konsequenzen hat Zahlungsverzug im Arbeitsverhältnis?
Hand aufs Herz: Im laufenden Arbeitsverhältnis, wenn es ansonsten einigermaßen gut verläuft und die verspätete Gehaltszahlung die Ausnahme bleibt, in der Regel gar keine. Rechtlich betrachtet kann zwar jeder Arbeitnehmer mit Eintritt des Zahlungsverzuges per Anwaltsschreiben die Gehaltszahlung anmahnen und auch Klage erheben, das dürfte aber die Ausnahme darstellen und dem Arbeitsverhältnis als solchem auch nicht gut tun (aber Achtung, liebe mitlesende Arbeitgeber: Das Maßregelungsverbot untersagt es, wegen einer rechtlich begründeten Maßnahme arbeitsrechtliche Konsequenzen zu ergreifen, § 612 a BGB).
Ist das Arbeitsverhältnis hingegen bereits beendet oder das Ende konkret absehbar, kann es sich für Arbeitnehmer lohnen, über die rechtlichen Folgen des Zahlungsverzuges nachzudenken. Das Gesetz sieht für den Fall, dass ein Unternehmer mit seinen Zahlungspflichten in Verzug gerät, zwei Folgen vor.
Erstens: Zinsen auf die Forderung
„Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.“ (§ 288 Abs. 1 BGB)
Ab dem Monatszweiten des Folgemonats der Arbeitsleistung fallen also Zinsen an, wenn sie eingefordert werden. Reich wird man hiermit allerdings eher selten. Wohlgemerkt handelt es sich nicht um 5 Prozent des Forderungsbetrages, sondern zunächst einmal wird der Zins aufs Jahr gerechnet. Und außerdem spricht das Gesetz nicht von 5 Prozent, sondern von „Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“. Der Basiszinssatz ist seit dem Jahr 2013 im Minus, aktuell liegt er bei -0,88 %. Der Zinssatz auf eine offene Gehaltsforderung beträgt also derzeit 4,12 % p.a..
Beispiel: Ist der Arbeitgeber seit einer Woche mit einem Gehalt von 2.000,00 € brutto im Rückstand, betragen die aufgelaufenen Zinsen 1,58 €.
Zweitens: 40-€-Pauschale – aber nicht im Arbeitsrecht
Ist derjenige, der eine Forderung zu bezahlen hat auch nur einen Tag mit dieser Zahlung im Rückstand, hat er, wenn er ein Unternehmen oder Geschäftsmann ist, zusätzlich zu den Zinsen noch eine Pauschale von 40,00 € zu bezahlen.
„Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners (…) außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro.“ (§ 288 Abs. 5 Satz 1 BGB)
Seit der Einführung dieser „Strafzahlung“ im Jahr 2014 war überaus umstritten, ob diese Zahlung auch bei verspäteten Gehaltszahlungen anzuwenden ist. Die Landesarbeitsgerichte urteilten unterschiedlich, zuletzt schien es so, als würde sich die Pauschalzahlung durchsetzen (wir berichteten hier und hier). Für die Pauschale sprach insbesondere, dass im Gesetz keine Ausnahme für das Arbeitsrecht vorgesehen ist.
Das Bundesarbeitsgericht als höchstes deutsches Arbeitsgericht hat den Fall nun geklärt und entschieden: Das Wissen um die Verzugspauschale kann Arbeitnehmern an anderer Stelle vielleicht einmal sehr nützlich sein, im Arbeitsrecht erhalten sie diese Pauschale aber nicht. Wieso das?
Was war passiert?
Der Kläger war seit dem Jahr 2002 als Baumaschinenführer tätig. Die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses änderten sich mehrere Male, auch ging der Betrieb samt des Arbeitsverhältnisses auf ein anderes Unternehmen über (Wie das geht? Das haben wir zum Beispiel hier erklärt). Im Zuge dieses Betriebsübergangs wurde ein Überleitungstarifvertrag verhandelt. In diesem Zusammenhang wurde für den Kläger eine Besitzstandszulage geregelt. Anlässlich der nachfolgenden Gehaltsabrechnungen gerieten die Parteien über die Berechnung und die Höhe der Besitzstandszulage in Streit. Der Kläger verlangte also vereinfacht gesagt die Nachzahlung von Gehalt und – weil dieses zum Zeitpunkt des Rechtsstreits ja nur noch verspätet gezahlt werden konnte, sollte er Recht erhalten – jeweils „pro Gehalt“ die Zahlung der 40-€-Pauschale.
Nur noch über diese Pauschale hatte das Bundesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage zu entscheiden.
Das Argument des Bundesarbeitsgerichts: § 12 a ArbGG
Der Kläger verlor vor dem Bundesarbeitsgericht, es besteht kein Anspruch auf die Zahlung der 40-€-Pauschale im Arbeitsrecht (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.09.2018, Az. 8 AZR 26/18).
Wie gesagt nennt das Gesetz keine ausdrückliche Ausnahme von der Pauschale für das Arbeitsrecht. Und der Zweck des Gesetzes, die Verbesserung der Zahlungsmoral, ist im Arbeitsrecht sicher auch nicht fehl am Platz. Das Arbeitsrecht kennt allerdings in Bezug auf Kosten an anderer Stelle eine Besonderheit, auf die sich das Bundesarbeitsgericht stützte.
12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) lautet: „InUrteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistandes.“
Diese Regelung weicht von dem ab, was in Gerichtsverfahren üblich ist, weshalb wir auf diese Regelung vor unserem Tätigwerden stets hinweisen. Sie bedeutet im Wesentlichen, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren bis einschließlich erster Instanz nicht der Verlierer des Rechtsstreits die Kosten auch des Gewinners trägt, sondern unabhängig vom Ausgang jeder die bei ihm entstandenen Kosten. Ursprünglich wurde dies zum Schutz der Arbeitnehmer so geregelt, damit diese nicht in Sorge sein müssen, die Kosten des Arbeitgebers auch noch zu tragen und deshalb womöglich vom Prozess absehen. Ob dieser Zweck immer erreicht wird, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls aber lautet der Grundsatz im Arbeitsrecht als Ausnahme vom übrigen Zivilrecht: Jeder trägt seine Kosten. Von seinem Arbeitgeber kann ein Arbeitnehmer also auch dann nicht seine Rechtsanwaltskosten oder Kosten für entstandenen Zeitaufwand verlangen, wenn seine Forderung rechtlich absolut begründet ist. Versteht man die 40-€-Pauschale nun als Pauschalzahlung für Rechtsverfolgungskosten, bedeutet das, dass sie im Arbeitsrecht wegen dieses Grundsatzes systematisch fehl am Platz ist. Hierauf stürzte das Bundesarbeitsgericht seine Entscheidung (zur Pressemitteilung; externer Link).
Fazit
Wieder hat das Bundesarbeitsgericht einen langen Streit beendet (zuletzt den um die Aufnahme des Mindestlohns in die Ausschlussfrist – ebenfalls sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer absolut praxisrelevant).
Die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts kann man überzeugend finden, muss man aber nicht. Hier gab es wirklich kein richtig oder falsch; man muss es ja nicht gleich mit Voltaire halten („Ein langer Streit beweist, dass beide Seiten Unrecht haben.“). Nun ist jedenfalls das letzte Wort gesprochen. Eine andere, praktische Überlegung mag die Erfurter Richter vielleicht mit beeinflusst haben: Die „Strafpauschale“ soll Schuldner, hier aber nur Unternehmer, zu pünktlichen Zahlungen anhalten. Da mit Ausnahme von Gehaltszahlungen Unternehmer nur selten Verbrauchern Zahlungen schulden, ist der Hauptanwendungsbereich der Regelung der Zahlungsverkehr zwischen Unternehmern. Dieser dürfte recht punktuell sein, Forderungen werden also einmal für eine bestimmte Dienstleistung oder Ware fällig. Das Arbeitsrecht ist grundsätzlich anders aufgebaut: Es handelt sich um eine dauerhafte Kooperation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wobei im Austausch für die Arbeitsleistung immer wieder Arbeitsentgelt fällig wird. Zum einen sind die Arbeitnehmer ihrerseits davon abhängig, dass es ihrem Arbeitgeber wirtschaftlich gut geht. Zum anderen kann bei diesem permanenten Austausch vielleicht auch einmal etwas schiefgehen. Wird aber sofort eine Pauschalstrafe für gegebenenfalls mehrere hundert oder gar tausend Mitarbeiter fällig, wenn in der Buchhaltung das Gehalt einen Tag zu spät angewiesen wurde, könnte dieses Gleichgewicht gefährdet sein.
Haben Sie Fragen zu dem Thema Geltendmachung von Ansprüchen und Zahlungsverzug? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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