Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.12.2015
Zur Anfechtung von “geschenktem Arbeitsentgelt” während einer Freistellung
Wird über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Insolvenzverwalter Zahlungen des insolventen Arbeitgebers in der Vergangenheit unter bestimmten Voraussetzungen anfechten. Dahinter steckt die Idee, durch eine Korrektur von Vemögensverschiebungen eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu erreichen. Folge der zulässigen Anfechtung ist eine
Rückzahlungspflicht.
Insolvenz: Geschenke können zurückgefordert werden
Ein solches
Anfechtungsrecht sieht der Gesetzgeber unter anderem bei Vornahme unentgeltlicher Leistungen durch den Insolvenzschuldner innerhalb von vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor (§ 134 Insolvenzordnung (InsO)). Damit sind
Geschenke des Gläubigers gemeint, soweit diese den Wert eines üblichen Gelegenheitsgeschenks übersteigen. Grund für diese Regelung ist, dass der Gesetzgeber von einer geringeren Schutzwürdigkeit des Beschenkten ausgeht. Außerdem soll verhindert werden, dass der Schuldner sich seinen Pflichten durch Scheinschenkungen entzieht.
Regelfall im Arbeitsverhältnis: Entgeltliche Leistung
Keine Schenkung ist (selbstverständlich) das Arbeitsentgelt für geleistete Arbeit, aber auch Entgeltfortzahlung wegen Krankheit oder Urlaub. Auch die Entgeltzahlung bei einer Freistellung wegen Arbeitsmangels ist keine unentgeltliche Leistung; auch in diesem Fall erfüllt der Arbeitgeber seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis.
Der Fall: Freistellung wegen Trennung
Aktuell hatte das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden, ob sich aus einer Freistellung trotz vorhandener Arbeit für Insolvenzverwalter ein Anfechtungsrecht ergibt.
Der spätere Beklagte hatte seine Ehefrau in seinem Betrieb angestellt. Vereinbart war ein Entgelt von 1.100,00 € brutto. Spätestens Anfang Januar 2005 wurde die Ehefrau nach der Trennung der Eheleute von ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Der Ehemann zahlte ihr in der Folge das Arbeitsentgelt weiter, ohne dass dafür eine Gegenleistung erbracht wurde. Im Januar 2010 wurde über das Vermögen des Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der eingesetzte Insolvenzverwalter focht die Zahlung des Entgeltes für die Zeit von 2005 bis August 2009 an und forderte die Rückzahlung des Nettoentgeltes.
Als Begründung für die Klage gab der Insolvenzverwalter an, es handele sich bei den Zahlungen seit der Freistellung um Schenkungen, also unentgeltliche Leistungen im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO. Der Beklagte hielt dagegen, es handele sich um Entgeltzahlungen, mit welchen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erfüllt wurden.
Das Urteil: Rückzahlungspflicht besteht
In erster Instanz unterlag der Insolvenzverwalter, in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 08.01.2014, Az. 5 Sa 764/13) hatte er Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Insolvenzverwalter schließlich auf die Revision hin endgültig Recht. Die Ehefrau muss nun knapp 30.000,00 € zurückzahlen
(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.12.2015, Az. 6 AZR 186/14).
Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht nach der Pressemitteilung
( Pressemitteilung Nr. 65/15 ) aus, dass sich durch die einvernehmliche Freistellung der Inhalt des Arbeitsverhältnisses geändert hat. Die Ehefrau schuldete vereinbarungsgemäß keine Gegenleistung mehr, so dass die Zahlungen fortan unentgeltlich erfolgten.
Fazit
Das Bundesarbeitsgericht hat das während der einvernehmlichen Freistellung gezahlte “Arbeitsentgelt” nicht als eine Zahlung gegen eine irgendwie geartete Gegenleistung gewertet – sondern als Geldgeschenk. Damit waren diese Zahlungen nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes anfechtbar und konnten vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden. Der Grund hierfür ist – zum Nachteil der Ehefrau – die Insolvenz des Ehemannes; ohne diese Insolvenz hätte es ein Rückforderungsrecht nicht gegeben.
Nach der Pressemitteilung will das BAG ist eine unentgeltliche Zahlung und damit ein Rückforderungsrecht des Insolvenzverwalters in der Regel dann anzunehmen, wenn eine Freistellung des Arbeitnehmers vereinbart wird, obwohl Arbeit vorhanden (gewesen) wäre.
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