Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 23.08.2017
Wann kann ein Arbeitgeber wirksam fristlos kündigen? Für diese Frage gibt es keine für jeden Fall eindeutige Antwort. Erforderlich für eine wirksame fristlose Kündigung ist stets ein „wichtiger Grund“. Es muss also etwas vorgefallen sein und das Arbeitsverhältnis muss in Folge dieses Vorfalls schwer belastet sein. Sodann wägen die Gerichte im Streitfall ab: Ist es dem Arbeitgeber unzumutbar, wenigstens die Kündigungsfrist abzuwarten? Dann ist die fristlose Kündigung unwirksam. Hier werden auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigt, beispielsweise eine lange Betriebszugehörigkeit ohne vorangegangene Beanstandungen. Die Gerichte berücksichtigen auch ganz allgemein, dass eine fristlose Kündigung erhebliche Nachteile für den Arbeitnehmer bedeuten, beispielsweise eine Sperre bei dem Bezug von Sozialleistungen. Entsprechend hoch wird die Schwelle für das Fehlverhalten angesetzt. Außerdem muss der Arbeitgeber eine Frist von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes die Kündigung ausgesprochen haben (zu den Formalien und Ausnahmen siehe hier).
Anerkannte wichtige Gründe für eine fristlose Kündigung sind Vermögensdelikte zu Lasten des Arbeitgebers, also Diebstahl jeder Art, und in der Regel jedes andere Verhalten, dass einen Straftatbestand zu Lasten des Arbeitgebers darstellt. Die Gerichte betonen allerdings, dass es nicht auf die Strafbarkeit des Verhaltens nach den Strafgesetzen ankommt, sondern dass vielmehr strafbares Verhalten in der Regel einen so schwerwiegenden Vertrauensverlust bedeutet, dass die fristlose Kündigung aus diesem Grund gerechtfertigt ist. Zu den Straftaten gehört übrigens auch vorgetäuschte Krankheit, welche, wenn sie nachgewiesen werden kann, immer zur fristlosen Kündigung berechtigt (näher dazu hier). Das gleiche gilt für – angekündigte oder erhebliche nicht angekündigte – Selbstbeurlaubungen, welche zwar keine Straftat darstellen, aber das Arbeitsverhältnis tief beeinträchtigen.
Mit einer anderen Variante einer Straftat, dem heimlichen Mitschneiden eines Gesprächs, beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht Hessen aktuell in einem am 02.01.2018 veröffentlichten Urteil.
Was war passiert? Arbeitnehmer beleidigt Kollegen und schneidet das Personalgespräch mit
Der Kläger war seit dem Jahr 1990 bei dem Arbeitgeber angestellt. Im Jahr 2015 traten erste Konflikte auf: Der Arbeitnehmer soll in einer E-Mail zwei leitende Angestellte als „Low-Performer-Burnout und faule Mistkäfer“ bezeichnet haben. Im Jahr 2016 soll er ferner zwei Kolleginnen in einer E-Mail als „faule Schweine“ und „Low-Performer“ bezeichnet haben. Schließlich soll der Arbeitnehmer in einem persönlichen Gespräch die räumliche Distanz auf bedrohliche Weise verringert haben (Gesicht-zu-Gesicht).
Wegen des belasteten Arbeitsverhältnisses wurde im März 2016 ein Personalgespräch anberaumt. Der Arbeitgeber erhielt im Nachgang zu diesem Gespräch durch eine E-Mail des Arbeitnehmers Kenntnis davon, dass dieser das Gespräch mit seinem Smartphone aufgezeichnet hatte. Das Smartphone hatte offen auf dem Tisch gelegen, der Arbeitnehmer hatte über den Mitschnitt während des Gesprächs jedoch niemanden informiert. Aus diesem Anlass wurde schließlich die fristlose Kündigung ausgesprochen.
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Das Urteil: Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Arbeitgebers
Das Landesarbeitsgericht Hessen erklärte die Kündigung für wirksam (Urteil vom 23.08.2017, Az. 6 Sa 137/17). Es stellte hierzu fest, dass ein heimlicher Gesprächsmitschnitt „an sich“ geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Hierbei handele es sich um eine Straftat, was allerdings nicht entscheidend sei. Vielmehr sei der hierdurch eingetretene Vertrauensverlust maßgeblich. Es handele sich bei dem Verhalten des Klägers um einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitgebers, welches durch das Grundgesetz geschützt ist. Es sei ein gesetzlich verankerter Grundsatz, dass jeder selbst und allein bestimmen darf, wer sein Wort aufnehmen sowie ob und von wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf.
Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des Klägers sah das Gericht nicht. Der Arbeitnehmer hatte vorgetragen, nicht gewusst zu haben, dass heimliche Gesprächsaufnahmen verboten seien. Hier hätte der Kläger sich durch einen Anruf bei einem Rechtsanwalt vorher kundig machen müssen. Auch der Umstand, dass das Smartphone offen auf dem Tisch lag, änderte an der Bewertung des Gerichts nichts. Vielmehr betonte das Gericht, dass das Arbeitsverhältnis schon durch die vorangegangenen beleidigenden E-Mails schwer belastet war und daher eine fristlose Kündigung wirksam sein müsse, da eine positive Prognose für das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehe.
Fazit: Beweissicherung, ja bitte. Aber bitte richtig.
Auch dieser Fall ist wie immer ein Einzelfall, der nur Rückschlüsse auf die Tendenzen der Arbeitsgerichte zulässt. Erschwerend zu dem heimlichen Mitschnitt des Gesprächs kam hier nämlich die vorangegangene Beleidigung der Kollegen hinzu, welche das Gericht auch berücksichtigte. Klar ist aber: Heimliche Gesprächsaufzeichnungen sind sowohl Straftaten als auch Grundrechtsverletzungen und damit keinesfalls ein Kavaliersdelikt. Und auch wenn der Arbeitgeber keine Einzelperson ist, sondern hier in Form von Personalern aufgetreten ist, nehmen die Gerichte diese Rechte ernst und gestatten eine fristlose Kündigung, hier sogar nach langer Betriebszugehörigkeit und ordentlicher Unkündbarkeit.
Dabei ist bei Konflikten das Bedürfnis der Beweissicherung für Arbeitnehmer wie auch für Arbeitgeber durchaus anzuerkennen. Diese muss sich aber in den Grenzen des Rechts bewegen. Was ist also zu tun? Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber verlangen, die Anwesenheit eines zuverlässigen Zeugen, gegebenenfalls des eigenen Rechtsanwalts, bei einem angekündigten Personalgespräch zu gestatten. Dieser Bitte muss der Arbeitgeber zwar nicht nachkommen, da er Hausrecht besitzt, wird dies aber gegebenenfalls zur Entschärfung der Situation tun. Alternativ ist zu raten, ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen. Notfalls sollte darauf bestanden werden, dass ein Gesprächsprotokoll noch vor Ort gefertigt und unterzeichnet wird. An Personalgesprächen, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffen, muss ein Arbeitnehmer übrigens nicht teilnehmen (bei Personalgesprächen den Inhalt der Arbeit betreffend hingegen schon). Wird ein solches Gespräch angekündigt, kann es also auch verweigert werden. Hier ist im Einzelfall abzuwägen, welches Vorgehen am sinnvollsten ist; idealerweise beurteilt ein Fachanwalt für Arbeitsrecht die Situation.
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