Krimi im Arbeitsrecht
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.08.2017
Zur Befristung von Schauspielverträgen
Was war passiert?
Den Kläger kennt man als Kommissar „Axel Richter“ aus der Krimiserie Der Alte. Das ZDF lässt diese Serie produzieren und besetzte die Rolle 18 Jahre und fast 170 Folgen lang mit Herrn Sanoussi-Bliss. Wie im Schauspiel- bzw. Seriengewerbe üblich wurden Verträge geschlossen, die sich auf eine Anzahl an Folgen oder eine bestimmte Folge bezogen. Die Bezahlung erfolgte entweder je Folge oder je Drehtag. Zuletzt wurde im Jahr 2014 ein Vertrag über die Produktion der Folgen Nr. 391 und 932 geschlossen. Anschließend sollte eine weitere Produktion unter Mitwirkung von Herrn Sanoussi-Bliss nicht mehr erfolgen.
Dieser berief sich allerdings darauf, dass der zuletzt geschlossene Vertrag ein befristeter Arbeitsvertrag sei. Dieser sei mangels Sachgrund und wegen einer verbotenen Kettenbefristung unwirksam.
Worum geht es?
Schauspieler sind Künstler, sie können aber – für viele überraschend – gleichzeitig auch Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten sein.
Woran erkennt man einen Arbeitnehmer? Ganz grob gesagt ist Arbeitnehmer, wer sich in ein Verhältnis persönlicher Abhängigkeit mit Weisungsrecht begibt und in betriebliche Abläufe eingebunden wird, so dass er Ort, Zeit und Inhalt seiner Tätigkeit nicht mehr frei bestimmen kann. Schauspieler sind häufig so in einen Produktionsablauf eingebunden und müssen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit eine vorgegebene Leistung erbringen. Genauso wie Profi-Fussballer sind sie also häufig Arbeitnehmer.
Wofür ist der Arbeitnehmerstatus wichtig?
Arbeitnehmer haben mehr Pflichten als Selbständige oder freie Mitarbeiter. Sie werden aber auch anders geschützt.
Zum einen ist die Frage von massiver Bedeutung in der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung. Ein Selbständiger muss eigenständig für seine Krankenversicherung und Altersvorsorge sorgen, im Arbeitsverhältnis läuft dies über die Sozialversicherungsbeiträge. Sollte ein vermeintlich freier Mitarbeiter nach Jahren feststellen, eigentlich doch Arbeitnehmer zu sein, kann er bzw. die Rentenversicherung nachträglich von seinem Arbeitgeber die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge verlangen.
Für Arbeitnehmer gilt außerdem – und darum ging es hier – ein Befristungsrecht. Ohne sachlichen Grund darf ein Arbeitsvertrag (nur) zwei Jahre lang befristet werden. Dieser Zeitraum wäre hier lange überschritten, so dass der Kläger ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als „Kommissar Richter“ hätte verlangen können.
Mit sachlichem Grund ist eine Befristung länger und mehrfach möglich, vorausgesetzt, dass ein solcher Grund auch besteht. In § 14 Absatz 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) sind acht sachliche Gründe benannt. Unter diesen acht Gründen ist die Schauspielerei nicht zu finden, allerdings der Grund, „wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt“ (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG).
Diese Möglichkeit der Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung hat bei genauem Hinsehen zwei Voraussetzungen:
Erst einmal muss die Arbeitsleistung „eigenartig“, also im Vergleich zum durchschnittlichen Arbeitsverhältnis besonders sein. Genau wie im Profisport ist es in der Produktion von Fernsehserien so, dass es um eine gute Show geht. Ziel ist es, den Zuschauer zu unterhalten und ihm etwas zu bieten. Hierfür ist es erforderlich, dass die Produzenten freie Hand haben, Charaktere auch einmal aus der Serie zu streichen und gegen frischere Charaktere zu ersetzen. Stellen Sie sich vor, das wäre nicht so und jeder Schauspieler könnte sich ein unbefristetes Engagement erklagen – Kate Mara würde neben vielen anderen auch in Staffel 6 noch bei House of Cards durch das Weiße Haus irren (und müsste natürlich entsprechend bezahlt werden).
Als zweite Voraussetzung muss die Eigenart der Beschäftigung auch ausreichend sein, um die Befristung des Arbeitsverhältnisses, also eine Belastung des Arbeitnehmers, zu rechtfertigen. Das Gegeninteresse muss also entsprechend stark und nachvollziehbar sein. Im Fall der Serienproduktion liegt das Konzept der künstlerischen Gestaltungsfreiheit zugrunde, immerhin ein Grundrecht. Beim Fussball ist es übrigens „nur“ das Entertainment-Interesse, aber auch das reicht aus (näher dazu hier).
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Die Entscheidungen der Gerichte: Kunstfreiheit schlägt Befristungsrecht
Schon das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hatten die Klage jeweils abgewiesen (Urteil des Landesarbeitsgerichtes München vom 29.10.2015, Az. 4 Sa 527/15). Das Bundesarbeitsgericht hat nun die Revision des Klägers abgewiesen und die Entscheidungen damit bestätigt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30.08.2017, Az. 7 AZR 864/15).
Die Befristung ist also wirksam, so dass nach dem letzten Vertrag über die Produktion der Folgen Nr. 391 und 932 die Tätigkeit des Klägers rechtswirksam beendet war.
Das Bundesarbeitsgericht hat betont, dass der Sachgrund „Eigenart des Arbeitsverhältnisses“ gerade die Befristung durch die Kunstfreiheit geprägter und damit einem hohen Gestaltungsinteresse unterliegender Arbeitsverhältnisse ermöglichen soll. Jedoch seien auch die Interessen des Arbeitnehmers einzubeziehen, insbesondere die immerhin langjährige Beschäftigung.
Nach dieser Interessenabwägung überwog allerdings für die Gerichte das Interesse der Produzenten an der künstlerischen Fortentwicklung der Serienhandlung – inklusive der Streichung dieses Charakters – das Interesse des Klägers an seinem weiteren Engagement als „Axel Richter“.
Fazit: Das Drehbuch gibt die Laufzeit vor
Für den Zuschauer wäre es ebenso befremdlich wie für die Produzenten, wenn sämtliche Charaktere für den Rest einer mitunter langjährigen Serienproduktion „mitgeschleppt“ werden müssten. Arbeitsrechtlich ist dieser Schluss jedoch durchaus naheliegend, jedenfalls wenn das Engagement bereits ein paar Jahre betragen hat. Das Gesetz hat allerdings kraft Sonderregelung im künstlerischen Bereich Rücksicht auf dramaturgische Interessen genommen und gestattet im künstlerisch geprägten Bereich vertragliche Befristungen in quasi unendlicher Anzahl und Länge. Begrenzt wird dies durch eine Missbrauchskontrolle, die allerdings selten praktische Auswirkungen haben dürfte.
Insgesamt wenig überraschend, aber ein willkommenes Update des Bundesarbeitsgerichts in diesem Bereich.
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