Entscheidung Arbeitsgericht Berlin vom 04.03.2015
Mit Urteil vom 04.03.2015 (54 Ca 14420/14) hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass eine jährliche Sonderzahlung sowie ein zusätzlich zur Vergütung gewährtes Urlaubsgeld vom Arbeitgeber von diesem nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden darf. Der Arbeitgeber hatte eine entsprechende Änderungskündigung ausgesprochen, die nach einer Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin unwirksam war.
Keine Anrechnung von Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung zulässig
Das Arbeitsgericht Berlin führte zur Begründung aus, dass der Arbeitgeber eine zusätzlich zur Grundvergütung gezahlte Jahressonderzahlung sowie ein gewährtes Urlaubsgeld nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen darf.. Entsprechend sei dann auch eine Änderungskündigung, die das Ziel verfolge, eine entsprechende Anrechnung zu erreichen, unzulässig. Gegen das Urteil ist die Berufung möglich.
Was darf bei der Berechnung des Mindestlohns berücksichtigt werden?
Nach § 1 Abs. 1 MiLoG hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer Vergütung mindestens in Höhe von brutto 8,50 € je Zeitstunde. Die aktuellen Streitfragen befassen sich damit, welche Entgeltbestandteile bei der Ermittlung dieses Mindestlohnes berücksichtigt werden dürfen. Einigkeit besteht nur insoweit, als der Mindestlohn nicht zwingend allein der Stundenlohn also die Grundvergütung sein muss. Mehr Rechtsklarheit geben Gesetz und bisherige Rechtsprechung aber nicht. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.04.2014 -4 AZR 802/11- zum tariflichen Mindestlohn sollen auch andere Leistungen zu berücksichtigen sein, wenn diese eine unmittelbare Leistung für die durch den Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung darstellen und “funktional gleichwertig” sind. Dies können z. B. Zulagen und Zuschläge sein, die keinen besonderen Zweck verfolgen.
Anders dann aber für solche Zuschläge, die an eine bestimmte Leistung des Arbeitnehmers geknüpft sind, wie z. B. Schichtzuschläge oder Nachtzuschläge.
Nach § 2 Abs. 1 MiLoG sollen Sonderzahlungen, wie z. B. das Urlaubsgeld oder eine jährliche Gratifikation dann bei der Ermittlung des Mindestlohns berücksichtigt werden können, wenn sie zum jeweils geltenden Fälligkeitstermin gezahlt werden und nicht unter einem Rückzahlungsvorbehalt stehen. Das heißt, dass diese Leistungen dann nur in dem Monat bei der Ermittlung des Mindestlohns berücksichtigt werden, in denen diese Vergütungen ausgezahlt werden. Eine Umverteilung auf mehrere Monate erfolgt aber nicht.
Fazit
Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin ist eine der ersten Entscheidungen rund um die Detailthematiken des Mindestlohngesetzes. Rechtssicherheit bei der Anwendung und Auslegung des Mindestlohngesetzes wird erst nach und nach eintreten, wenn weitere Entscheidungen der Gerichte und insbesondere des Bundesarbeitsgerichts vorliegen.
Aktuell – Urteil in zweiter Instanz bestätigt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.03.2015 wurde nun in zweiter Instanz von dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt (Urteile vom 11.08.2015, Aktenzeichen 11.08.2015, Az. 19 Sa 819/15, 19 Sa 827/15, 19 Sa 1156/15). Auch das Landesarbeitsgericht stuft die Zahlungen als Leistungen ein, die nicht vorrangig der Bezahlung der Arbeitsleistung dienen, sondern eine Prämie darstellen. Eine solche Prämie steht dem Arbeitnehmer, wenn sie gezahlt wird, zusätzlich zu seinem Anspruch auf den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu. Eine Änderungskündigung zum Zwecke der Streichung dieser Leistungen bei gleichzeitiger Anhebung des Lohns auf Mindestlohnniveau ist deshalb nicht ohne Weiteres möglich.
Anders liegt der Fall übrigens in der
hier von uns besprochenen Konstellation, dass ein an die Leistung geknüpfter Bonus gezahlt wird. Dieser ist in der Regel “mindestlohnrelevant”, so dass es möglich ist, für die Zeitstunde erst einmal weniger als 8,50 € brutto zu zahlen, wenn am Ende des Monats mit Hilfe des Bonus auf Mindestlohn aufgestockt wird.
KERNER Rechtsanwälte
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