Minenfeld Massenentlassung
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.06.2016
Zu den Auswirkungen einer unvollständigen Betriebsratsbeteiligung
Bei Entlassungswellen ist das mit der Schuld so eine Sache. Arbeitnehmer fühlen sich von „denen da oben“ unfair behandelt, während die Personalverantwortlichen sich in wirtschaftlichen Zwängen sehen. Und schonend kündigen geht nun mal nicht. Nicht selten ist es dann auch bereits der Insolvenzverwalter, der die Entlassungen tatsächlich vornimmt. Wie der Name sagt, handelt es sich um die Entlassung von mehreren, einer „Masse“ von Arbeitnehmern. Genauer gesagt spricht man von einer Massenentlassung, wenn gleichzeitig oder innerhalb von 30 Tagen eine in § 17 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) definierte Anzahl von Arbeitnehmern entlassen wird. In Betrieben mit 20 bis 60 Arbeitnehmern ab dem 6. Arbeitnehmer, in Betrieben unter 500 Arbeitnehmern ab dem 26. Arbeitnehmer oder ab 10 % der Belegschaft und in Betrieben ab 500 Arbeitnehmern bei mindestens 30 Arbeitnehmern.
Bei unternehmensweiten Entlassungswellen kann man dabei von der Faustformel ausgehen: Ein Standort entspricht einem Betrieb, hier müssen also diese Schwellenwerte erreicht sein. Wer als Arbeitnehmer zu zählen ist, haben wir hier besprochen.
Welche Auswirkungen hat das Etikett Massenentlassung, das nun an jeder Kündigung klebt? Trotz des unschönen Wortlautes sind es für die Arbeitnehmer positive Wirkungen. Dem Arbeitgeber werden zusätzliche Pflichten auferlegt, die die Interessen der Betroffenen schützen sollen. Bei Fehlern kann die gesamte Kündigungswelle unwirksam sein. Wo also schon eine „normale“ Kündigung häufig fehlerhaft ist, ist das bei der Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung erst recht der Fall. Der Arbeitgeber ist also gezwungen, solche Kündigungen sorgfältig vorzubereiten und für den gekündigten Arbeitnehmer bieten sich zusätzliche Chancen im Kündigungsschutzverfahren.
Erste Fehlerquelle: Beteiligung des Betriebsrats
Durch die Einordnung als Massenentlassung ist der Arbeitgeber verpflichtet, die geplanten Entlassungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Das ergibt sich aus § 17 Absatz 2 KschG und ist ein „Mehr“ zur ohnehin vor jeder Kündigung bestehenden Pflicht, den Betriebsrat anzuhören. Der Betriebsrat soll in die Lage versetzt werden, konstruktive Vorschläge zu machen, nach denen die Kündigungen vermieden oder die Folgen für die Betroffenen abgemildert werden können. Deshalb hat der Arbeitgeber die Unterrichtung rechtzeitig und zweckdienlich insbesondere über die folgenden Punkte zu unterrichten:
- die Gründe für die geplanten Entlassungen,
- die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
- die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
- den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
- die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
- die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.