Nicht alle wollen ins Homeoffice. Und müssen auch nicht.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10.10.2018
Telearbeit, wie Tätigkeit im Homeoffice auch genannt wird, ist begehrt: Quasi kein Arbeitsweg, angenehme Arbeitsatmosphäre und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zweifellos hat das Homeoffice Vorteile. Aber manch einer will das vielleicht gar nicht, sondern bevorzugt die klassische Arbeit im Betrieb. Was also, wenn der Arbeitgeber unwillige Arbeitnehmer ins Homeoffice schickt?
Was war passiert? Arbeitnehmer wird ins Homeoffice versetzt
Der Arbeitnehmer arbeitete als Ingenieur. Als der Arbeitgeber seinen Betrieb schloss, bot er dem Arbeitnehmer an, seine Tätigkeit künftig im Homeoffice zu verrichten. Der Arbeitnehmer war hierzu nicht bereit. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsverweigerung. Der Arbeitnehmer klagte gegen diese Kündigung mit dem Argument, er habe nicht gegen seinen Willen ins Homeoffice versetzt werden dürfen.
Exkurs: Darf der Arbeitgeber den Arbeitsort bestimmen?
Häufig gehen Arbeitnehmer davon aus, dass es sich im Arbeitsrecht verhält wie bei einem Kauf unter Privatleuten: „Gekauft wie gesehen“, sprich: Das Arbeitsverhältnis muss so geführt werden, wie es begonnen wurde. Ein Arbeitsverhältnis ist aber eine dynamische Rechtsbeziehung, bei der der Arbeitgeber die Verwendung der Arbeitskraft auch veränderten Bedingungen anpassen können soll. Das muss natürlich in einem für den Arbeitnehmer zumutbaren Rahmen geschehen, aber viele Arbeitnehmer sind gleichwohl schockiert, wenn sie erfahren, wie weitgehend die Weisungsrechte des Arbeitgebers gerade in örtlicher Hinsicht sein können. Eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag könnte etwa so lauten:
„Der Arbeitnehmer wird als Projektmanager eingestellt. Arbeitsort ist Hannover. Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zuzuweisen.“
Das Gesetz gestattet solche Klauseln, auch wenn bei der tatsächlichen Versetzung immer der Einzelfall angeschaut werden muss. Denn § 106 S. 1 Gewerbeordnung (GewO) lautet:
„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“
Hinsichtlich der Bestimmung des Arbeitsortes kommt dem Arbeitsvertrag die größte praktische Bedeutung zu. Der Arbeitgeber möchte im Regelfall möglichst flexibel bleiben und hat dafür zwei Möglichkeiten, die zum gleichen Ergebnis führen. Er kann den Ort des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag ungeregelt lassen oder er bestimmt einen Arbeitsort und behält sich vor, dieses später wieder zu ändern. In beiden Fällen kann der Arbeitgeber auch nach Jahren noch entscheiden, dass der Arbeitnehmer nun an einem anderen Ort als bisher seine Arbeit verrichten soll. Diese Festlegung muss lediglich dem so genannten billigen Ermessen entsprechen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber seinen Betriebssitz verlegt, beispielsweise von Celle nach Hannover. Dann müssen die Arbeitnehmer künftig an ihrem neuen Arbeitsort in Hannover zur Arbeit erscheinen, auch wenn das einen längeren Arbeitsweg oder sogar einen Umzug bedeutet (Mit dem Thema Standortwechsel haben wir uns hier näher befasst).
Billiges Ermessen bedeutet, dass der Arbeitgeber alle beteiligten Interessen – seine eigenen, aber auch die der Arbeitnehmer – berücksichtigt und aufgrund dessen eine Entscheidung getroffen hat. Unangemessen wäre etwa eine „Strafversetzung“ an einen weit entfernten Standort ohne vernünftigen Grund. Was kann man als Arbeitnehmer tun, wenn der Arbeitgeber eine unbillige örtliche Versetzung vorgenommen hat? Das Arbeitsgericht stellt auf Antrag fest, dass eine solche Weisung nicht befolgt werden muss. Auch in der Zwischenzeit bis zu einer gerichtlichen Klärung muss der Arbeitnehmer eine solche Weisung zwar nicht befolgen, trägt aber das Risiko, dass diese doch billigem Ermessen entsprach und entsprechende Sanktionen auf die Weigerung des Arbeitnehmers wie Abmahnungen und Kündigungen daher ebenfalls rechtmäßig erfolgten. Arbeitnehmer sollten sich daher vor einer „passiven Selbsthilfe“ unbedingt mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht besprechen. Das empfiehlt sich in einem solchen Fall ohnehin, da das Arbeitsverhältnis häufig einen nicht mehr zu behebenden „Knacks“ davon trägt und mindestens eine Partei trennungswillig zurücklässt.
Zurück zur Ausgangsfrage: Darf der Arbeitgeber auch den Arbeitsort „Homeoffice“ bestimmen? Die Tatsache, dass sogar deutschlandweite Versetzungen möglich sind, legt das durchaus nahe, aber…
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Das Urteil: Kein Zwang zu Homeoffice-Tätigkeit
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Weisung, künftig im Homeoffice zu arbeiten, unwirksam war und der Arbeitnehmer daher mit seiner Weigerung keine Arbeitsverweigerung begangen hat, die den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt hätte. Die Kündigung wurde daher ebenfalls für unwirksam erklärt.
Das Gericht führte aus, dass das örtliche Weisungsrecht für eine solche Zuweisung nicht ausreicht. Die Umstände der Telearbeit unterschieden sich in erheblicher Weise von einer Tätigkeit, die in einer Betriebsstätte zu verrichten sei. Dass manche Arbeitnehmer eventuell von sich aus an einer Telearbeit interessiert sind, erweitert das Weisungsrecht des Arbeitgebers in dieser Hinsicht nicht, so das Gericht.
Fazit: „Homeoffice“ ist kein vollwertiges „Office“
Das Landesarbeitsgericht stützt sich nicht auf die Ortsveränderung, sondern darauf, dass es sich bei der Arbeit im Betrieb und im Homeoffice um verschiedene Arbeitsweisen handelt. Das Argument ist also, dass dem Arbeitnehmer quasi eine andere Tätigkeit auferlegt wird. Was hätte der Arbeitgeber also tun sollen, wenn er doch seine Betriebsstätte schloss? Nun, kündigen hätte er vielleicht können, aber nicht fristlos wegen Arbeitsverweigerung, wie er es tat. Da eine anderweitige Kündigung aber ersichtlich nicht ausgesprochen worden war, hatte das Gericht darüber auch nicht zu urteilen.
Allerdings steht einem Arbeitgeber durchaus auch ein Recht zu, anderweitige Tätigkeiten als die bisherigen zu verlangen, solange sie gleichwertig sind und die Bezahlung die gleiche bleibt, wenn der Arbeitsvertrag dies in korrekter Weise vorbehält (ebenfalls auf Basis des § 106 GewO). Die bislang noch nicht veröffentlichte Urteilsbegründung wird zeigen, woran genau sich das Landesarbeitsgericht störte. Dass es die Tätigkeit im Homeoffice als nicht gleichwertig gegenüber einer Tätigkeit im Betrieb beurteilt hat, ist unwahrscheinlich angesichts der Vielzahl an Homeoffice-Arbeitsverhältnissen. Die Pressemitteilung legt nahe, dass das Gericht die Tätigkeiten schlicht als „ungleich“ eingestuft hat und damit einen Zirkelschluss zugunsten der Arbeitnehmer vollführt hat. Da das Urteil rechtskräftig geworden ist, haben Arbeitnehmer nun eine gute Basis, unerwünschten „Verschiebungen“ ins Homeoffice entgegenzutreten. Aber bitte nicht vergessen: Zweifelhafte arbeitgeberseitige Weisungen sollten mit einem Arbeitsrechtler abgeklärt werden, (Nicht-)Handeln auf eigene Faust ist in diesem Bereich risikoreich.
Haben Sie Fragen zu dem Thema arbeitgeberseitige Weisungen? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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