Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.03.2002, Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 06.05.2015
Bereits im Jahr 2002 hatte das Bundesarbeitsgericht mit dem bis dahin eisernen Grundsatz gebrochen, dass die sechsmonatige
Probezeit und die sechsmonatige
Wartezeit bis zum Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes nicht verlängerbar sind und auch durch Umgehungen jeder Art eine Verlängerung nicht möglich ist (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.03.2002, Aktenzeichen 2 AZR 93/01). Nun folgte das Landesarbeitsgericht Stuttgart in einer aktuellen Entscheidung diesem Urteil und bringt das Thema „Konstellationen zur Verlängerung der Probezeit“ wieder in die Diskussion.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.03.2002
Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lag folgender Fall zugrunde:
Ein Arbeitgeber hatte einen Mitarbeiter eingestellt, der in der sechsmonatigen Probezeit nicht abschließend überzeugen konnte. Er konnte im Personalgespräch allerdings Gründe vorbringen, die eine erfolgreiche Einarbeitung in den nächsten vier Monaten in Aussicht stellten. Daraufhin schlossen die Parteien noch in der Probezeit einen Aufhebungsvertrag über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von vier Monaten und vereinbarten zugleich die Wiedereinstellung für den Fall, dass der Mitarbeiter in dieser Zeit überzeugen könnte. Auf diese Weise schoben sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus.
Das Bundesarbeitsgericht hatte geurteilt, dass ein solches Vorgehen zulässig ist. Die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses komme einer Kündigung gleich, welche in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ohne Grund möglich ist. In der weiteren Vereinbarung sah das Gericht eine Verlängerung der Kündigungsfrist von zwei Wochen auf vier Monate, was nicht zu beanstanden sei. Das Bundesarbeitsgericht wies darauf hin, dass die Kündigungs-/Auslauffrist überschaubar bleiben müsse und daher die längste tarifliche Kündigungsfrist nicht überschreiten dürfe, was aber bei einem viermonatigen Zeitraum nicht der Fall war.
Durch diese Gestaltung, also den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit mehrmonatiger Frist und Wiedereinstellungszusage bei guter Leistung, hatte der Arbeitgeber die Probezeit um vier Monate verlängert und konnte nach Ablauf dieser Zeit ohne Bindung an das Kündigungsschutzgesetz entscheiden, ob er den Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigen wollte oder nicht.
Urteil des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 06.05.2015
Vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg war ein ähnlicher Fall zu entscheiden, in dieser Variante wählte der Arbeitgeber statt eines Aufhebungsvertrages eine Kündigung. Geklagt hatte ein Vertriebsmitarbeiter, dem aufgrund fehlender akquirierter Aufträge während der Probezeit mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt wurde, wodurch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses deutlich hinter das Ende der Probezeit geschoben wurde. Zugleich teilte der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter mit, er habe die Probezeit nicht bestanden, ihm solle aber mit der Kündigungsfrist von mehreren Monaten eine Bewährungschance eröffnet werden und anschließend solle über einen neuen Arbeitsvertrag gesprochen werden. Der gekündigte Arbeitnehmer machte mit einer Kündigungsschutzklage geltend, die Kündigung sei treuwidrig. Zur Begründung führte er an, der Arbeitgeber hätte ihm – gemäß dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts – eine verbindliche Zusage zur Wiedereinstellung bei Bewährung während der Kündigungsfrist machen müssen, wenn ihm mit einer längeren als der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist gekündigt würde. Alles andere sei aus seiner Sicht eine Umgehung des Gesetzes.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sah das anders und wies die Berufung zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, die dreimonatige Kündigungsfrist sei deshalb wirksam, weil ausdrücklich festgehalten wurde, dass diese Frist gerade dazu dienen sollte, dass der Arbeitnehmer sich bewähren kann. Es sei nicht erforderlich, dass eine verbindliche Zusage für eine Wiedereinstellung erfolgt, immerhin liege es ohnehin im Ermessen des Arbeitgebers, ob sich der Mitarbeiter bewährt hat oder nicht. Nur dann, wenn der Arbeitgeber nicht (auch) mit Rücksichtnahme auf die Arbeitnehmerinteressen handelt, sondern treuwidrig alleine deshalb dieses Vorgehen wählt, um den Kündigungsschutz zu umgehen sei eine solche Kündigung wegen Treuwidrigkeit unwirksam.
Fazit
Manchmal sind sechs Monate nicht ausreichend, um einen neuen Mitarbeiter so gut kennenzulernen, dass man seine Leistung abschließend beurteilen kann. Da ist es verständlich, wenn ein Personalverantwortlicher dem „drohenden“ Kündigungsschutz mit einer Kündigung in der Probezeit zuvorkommt, obwohl der Mitarbeiter potenziell gute Arbeit leistet und lediglich noch etwas Zeit benötigen würde, sich einzufinden. Andererseits hat auch jeder Arbeitnehmer ein nachvollziehbares Interesse daran, in ein gesichertes Arbeitsverhältnis einzutreten und sich nicht überlangen Probezeiten aussetzen zu müssen. Diese Interessen versuchen die Urteile in Ausgleich zu bringen, indem sie in Grenzen eine Umgehung der gesetzlichen Begrenzung der Probezeit auf maximal sechs Monate (§ 622 Abs. 3 BGB) und der Wartezeit bis zum Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes von ebenfalls sechs Monaten (§ 1 KSchG) gestatten. Das kann grundsätzlich durch Aufhebungsverträge oder Kündigungen mit Wiedereinstellungszusagen geschehen. Von den Gerichten verlangt wird dabei aber, dass der Arbeitgeber sowohl die Wiedereinstellungsabsicht als auch die Beendigungsabsicht für den Fall, dass der Mitarbeiter nicht überzeugen kann, ernsthaft verfolgt. Außerdem darf die Aufhebungs- oder Kündigungsfrist nicht unüberschaubar lang sein.
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