Wenn der Arbeitsvertrag zurückschlägt
Möchten Sie bei der nächsten Familienfeier ein bisschen angeben? Versuchen Sie es einmal mit diesem Satz: „Ich wette, eure Arbeitsverträge sind Allgemeine Geschäftsbedingungen.“ Zugegeben, einen Juristen werden Sie damit nicht beeindrucken, die übrige Verwandtschaft wird allerdings verwirrt sein. Denn „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ sind schließlich das Kleingedruckte, was der Verkäufer einem gibt, wenn man sich ein neues Elektrogerät kauft. Das hat doch nichts mit Arbeitsverträgen zu tun, oder?
Doch! Denn von Angestellten in leitender Position einmal abgesehen, ist das Prozedere bei der Einstellung fast immer dieses: „Ich habe hier Ihren Arbeitsvertrag vorbereitet, lesen Sie ihn sich bitte durch und unterschreiben Sie.“ Eine echte Möglichkeit, auf den Arbeitsvertrag Einfluss zu nehmen, haben Arbeitnehmer fast nie. Und dieser Umstand bedeutet rechtlich betrachtet, dass die §§ 305-310 BGB, das Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), anzuwenden sind.
Diese Tatsache ist nicht nur interessant, um bei Familienfeiern zu glänzen, sie hat enorme praktische Auswirkungen. Das gesetzliche Konzept ist nämlich das Folgende: Handeln gleichstarke Vertragspartner einen Vertrag aus, ist er zu erfüllen, auch wenn eine der Vertragsparteien den Abschluss im Nachhinein bereut. Legt aber eine typischerweise überlegene Vertragspartei einer typischerweise schutzbedürftigen Vertragspartei einen vorformulierten Vertrag vor, steht dieser Vertrag nun Klausel für Klausel unter dem Schutz spezieller gesetzlicher Regelungen. Vertragsbestimmungen, die diesen Regelungen nicht genügen, sind unwirksam und werden durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt. Das gilt für Arbeitsverträge und auch schon bei dem ersten vorformulierten Arbeitsvertrag, den ein Arbeitgeber verwendet.
Die Unwirksamkeit einer Regelung kann sich vor allem daraus ergeben, dass sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, nicht klar verständlich ist oder (an dieser Stelle des Vertrages) völlig überraschend ist.
Ein Beispiel: In Ihrem Arbeitsvertrag befindet sich eine Klausel, wonach mit Ihrem Gehalt sämtliche Überstunden abgegolten sind. Sofern Sie nicht außergewöhnlich gut verdienen – damit ist mindestens die Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherungspflicht gemeint – beeinträchtigt diese Klausel Ihr rechtlich anerkanntes Interesse, für Ihre Arbeit in einem gewissen Gegenseitigkeitsverhältnis bezahlt zu werden. Sie ist nicht wirksam. Das bedeutet nicht, dass Ihr Arbeitgeber keine Möglichkeit gehabt hätte, zu regeln, dass eine bestimmte Anzahl an Überstunden als mit dem Gehalt abgegolten ist. Trifft er aber das richtige Maß nicht, muss ab der ersten Überstunde gezahlt werden.
Da hilft dem Arbeitgeber auch die so genannte Salvatorische Klausel nicht. Diese Klausel sieht vor, dass anstelle einer eventuell unwirksamen Bestimmung eine Regelung als vereinbart gilt, die dem Sinn und Zweck am nächsten kommt. So etwas kann man in Verträgen auf Augenhöhe wirksam vereinbaren, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit auch Arbeitsverträgen ist eine solche Klausel unwirksam und damit wirkungslos.
Etwas anders gilt für Regelungen, wenn sich das Arbeitsverhältnis nach einem Tarifvertrag richtet oder der Arbeitsvertrag sich darauf beschränkt, vollständig auf einen Tarifvertrag zu verweisen. Denn die Parteien, die den Tarifvertrag schließen sind im Idealfall gleichstarke Verhandlungspartner. Das Ergebnis dieser ausgewogenen Verhandlungen betrachtet der Gesetzgeber als grundsätzlich angemessen, eine Überprüfung findet nicht statt.