Wer beim Strukturwandel in der Arbeitswelt mitreden möchte, darf keine Angst vor Anglizismen haben. New work, work 2.0, patch projecting, life-cycle-balance. Die Leistungsträger der Generation y sind noch in der Begriffsfindung, das Ziel ist aber klar: Keine Lust auf einen nine-to-five-job. Sie möchten arbeiten, wann und wo es in ihr Lebenskonzept passt. Das kann frühmorgens sein oder spätabends. Wenn es gerade anliegt auch mal sonntags und wenn es gut läuft auch mal 12 Stunden am Stück. Hauptsache, das Ergebnis und der Ausgleich stimmen. Sie möchten flachere hierarchische Strukturen und sie möchten keine künstliche Trennung zwischen Arbeit und Privatem wie Handy- oder Surfverbote am Arbeitsplatz.
Diese Kombination aus der Auflösung von festen Arbeitszeiten verbunden mit der ortsungebundenen Nutzung von Notebook und Smartphone ist das Maximum an Flexibilität und dürfte in Reinform kaum vorkommen. Sie wäre auch bestimmten Branchen und bestimmten Positionen vorbehalten, in denen weder feste Öffnungszeiten noch zyklisch ineinander greifende Arbeitsprozesse zu beachten sind.
Fakt ist aber, dass seit Jahren darüber diskutiert und geforscht wird, wie Arbeit entgrenzt werden kann und soll. Dort, wo es gewollt ist, wird aber schon heute häufig einfach umgesetzt.
Wenig beachtet wird nicht nur in diesen Fällen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Es ist gewissermaßen die Straßenverkehrsordnung des Arbeitsrechts. Jeder weiß, dass es so etwas gibt und die meisten haben auch eine Vorstellung davon, was dort geregelt ist. So genau wissen es aber die wenigsten und selbst wenn setzt man sich darüber hinweg, wenn es angezeigt ist. Verstöße gegen das ArbZG sind deshalb überaus häufig. Grund genug für einen Überblick.
Eine kurze Geschichte der Arbeitszeit
Unsere Arbeitswelt hat sich in den letzten 150 Jahren massiv gewandelt und die Wochenstundenzahl hat sich, jedenfalls auf dem Papier, halbiert.
Die wöchentliche Arbeitszeit dürfte um 1850 zwischen 65 und 80 Stunden gelegen haben. Zwischen 1866 und 1900 fand der Kampf um den Achtstundentag der Arbeiterklasse statt. Der Samstag war wohlgemerkt ein selbstverständlicher Arbeitstag, so dass um eine 48-Stunden-Woche gekämpft wurde. Kurze Zeit zwischen 1918 und 1923 war der Achtstundentag Gesetz, ab 1923 hatten die Unternehmen wieder eine Wahlmöglichkeit hin zum Zehnstundentag.
Während des Zweiten Weltkrieges war auch diese Regelung nicht mehr gültig, erst im Jahr 1946 wurde der Achtstundentag wieder eingeführt. 10 Jahre später wurde um die Fünf-Tage-Woche bzw. 40-Stunden-Woche gekämpft, die sich auch durchsetzte. Teilweise sank die übliche Wochenstundenzahl auf 35 Stunden ab.
Heute liegt die tarifliche durchschnittliche Wochenarbeitszeit laut DGB bei 37,7 Stunden, im Osten ist es eine Stunde mehr als im Westen. Außerhalb der Tarifverträge dürfte nach wie vor die 40-Stunden-Woche die Regel sein, zusätzlich Überstunden. Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit lag 2015 bei durchschnittlich 40,3 Wochenstunden (Quelle: Eurofound, 2015).
Unser heutiges Arbeitszeitgesetz basiert auf einer europäischen Richtlinie (93/104/EWG). Der dort angesetzte Standard ist also europaweit gültig, die deutsche Umsetzung geht in Teilen noch darüber hinaus.
Wer muss sich an das ArbZG halten?
Grundsätzlich alle Arbeitnehmer. Ausnahmen sind in § 18 ArbZG geregelt, hauptsächlich sind Arbeitnehmer in bestimmten Führungspositionen ausgenommen. Keine Arbeitnehmer sind Beamtinnen und Beamte, für sie gelten Arbeitszeitverordnungen.
Das Arbeitszeitgesetz ist nicht dispositiv, kann also im Arbeitsvertrag nicht „abgewählt“ werden.
Wie lange darf ein Arbeitstag dauern?
§ 3 S. 1 ArbZG normiert die Regel:
„Die werktägliche Arbeitszeit darf acht Stunden nicht überschreiten.“ Achtung: Der Gesetzgeber meint mit Werktagen immer auch den Samstag.
Arbeitszeit im Sinne des ArbZG ist die Zeit, in der tatsächlich gearbeitet wird. Außerdem zählt die Zeit dazu, in der sich der Arbeitnehmer weisungsgemäß zur Arbeit bereithält, auch wenn gerade nichts zu tun ist, etwa im Einzelhandel. Auch die so genannte Heranziehungszeit, also die Zeit der Rufbereitschaft, in der der Arbeitnehmer tatsächlich zur Arbeit herangezogen wird, ist natürlich Arbeitszeit. Kurze Unterbrechungen der Arbeit, etwa um sich aus der Küche etwas zu trinken zu holen oder zur Toilette zu gehen, sind ebenfalls durchgehend Arbeitszeit.
Ist ein 8-Stunden-Tag also das Maximum? Nein.
Die werktägliche Arbeitszeit kann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn entweder innerhalb von sechs Monaten bzw. 24 Wochen ein Durchschnitt von acht Stunden werktäglich erreicht wird.
Beispiel: Die Anordnung des Arbeitgebers, in einer Auftragsspitze eine Woche lang von montags bis samstags 10 Stunden am Tag zu arbeiten ist nach dem Arbeitszeitgesetz zulässig, wenn innerhalb von sechs Monaten die 12 Stunden zu viel abgebaut werden, beispielsweise indem eine Woche lang von montags bis freitags nur 5,6 Stunden gearbeitet wird.
Spätestens nach 6 Stunden: Pause!
§ 4 ArbZG regelt die Pausen. Eine Pause ist eine Zeit, in der der Arbeitnehmer vollständig von der Arbeitsleistung befreit ist. Da keine Arbeitsleistung erbracht wird, muss diese Zeit nicht vergütet werden. Der Arbeitgeber kann seinen Arbeitsplatz und grundsätzlich auch den Betrieb verlassen. Ob ein älteres Urteil des Bundesarbeitsgerichts, dass unter bestimmten Umständen ein örtliches Weisungsrecht für die Pausenzeiten als zulässig angesehen hat, noch haltbar ist, ist zweifelhaft (BAG v. 21.8.1990 – 1 AZR 567/89).
Die Pausen müssen bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden mindestens 30 Minuten betragen, spätestens nach 6 Stunden ist eine Pause nach auch Pflicht. Bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden müssen mindestens 45 Minuten Pause genommen werden. Die Pausen können aufgeteilt werden, wenn die einzelnen Pausen noch mindestens 15 Minuten betragen. Sie müssen im Voraus der Länge nach festgelegt sein, eine exakte zeitliche Planung ist nicht notwendig.
Viele Arbeitnehmer haben übrigens das gegenteilige Problem: Lange Zwangspausen. Dem Arbeitgeber steht es kraft seines Direktionsrechts zu, sowohl die Lage als auch die Länge der Pausen festzulegen und dabei auch über den Mindeststandard des ArbZG hinauszugehen. Die klassische einstündige Mittagspause, die viele Arbeitnehmer als zu lang empfinden, kann deshalb in aller Regel wirksam vorgeschrieben werden.
Nach der Arbeit: Ausruhen!
§ 5 ArbZG regelt die Ruhezeit: „Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine
ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben.“ Auch hiervon gibt es Ausnahmen, insbesondere für Krankenhäuser, Hotels und Verkehrsbetriebe.
Die Berechnung ist simpel: Zwischen der Beendigung der letzten Arbeitszeit und dem nächsten Arbeitsbeginn müssen elf Stunden liegen. Das bedeutet auch, dass die E-Mail des Arbeitgebers um 20:30 Uhr mit der Bitte, noch am Abend einen Entwurf gegenzulesen dazu führt, dass der Arbeitnehmer darauf bestehen könnte, jedenfalls nicht vor 09:30 Uhr am Folgetag wieder eingesetzt zu werden.
Sonn- und Feiertage
Der Grundsatz ist in § 9 Absatz 1 ArbZG geregelt: „Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.“ Dieses Zeitfenster kann in bestimmten Fällen verschoben werden, beispielsweise bei Kraftfahrern.
Es gibt Ausnahmen von dem Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot, vor allem im Bereich der Daseinsfürsorge und Gastronomie. Die genaue Aufzählung finden Sie in
§ 10 Absatz 1 Nr. 1 bis 16 ArbZG (externer Link). In begründeten Fällen können auch andere Arbeitgeber bei den Gewerbeaufsichtsämtern beantragen, Arbeitnehmern an bis zu 5 Sonntagen im Jahr beschäftigen zu dürfen.
Nachtarbeit
Nachtarbeit ist jede mehr als zwei Stunden dauernde Arbeit zwischen 23 und 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien zwischen 22 und 5 Uhr. Unter dem besonderen Schutz des Gesetzes stehen Arbeitnehmer, die Nachtarbeit in Wechselschicht oder an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leisten. Hier ist insbesondere der Ausgleichszeitraum viel kürzer als bei „normalen“ Arbeitnehmern: Innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen darf die durchschnittliche Arbeitszeit höchstens acht Stunden pro Werktag betragen (sonst bis zu 6 Monaten). Es muss außerdem ein angemessener Ausgleich für die Erschwernisse der Nachtarbeit erfolgen, vorzugsweise in Form von Freizeit. Schließlich ist im 3-Jahres-Rhythmus ein ärztlicher Check auf Kosten des Arbeitgebers vorgeschrieben.
Konsequenzen?
Zuständig für die Überwachung der Einhaltung des ArbZG ist in Niedersachsen das Gewerbeaufsichtsamt. An dieses können Arbeitnehmer sich wenden. Das Gewerbeaufsichtsamt kann Auskünfte bei dem Arbeitgeber verlangen und ihm Maßnahmen zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten auferlegen.
Unabhängig davon sind vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen alle aufgeführten Regelungen Ordnungswidrigkeiten, die mit einer
Geldbuße von bis zu 15.000,00 € geahndet werden können. Der Arbeitgeber trägt die Verantwortung dafür, dass die Vorschriften des ArbZG eingehalten werden, er darf das nicht seinen Arbeitnehmern überlassen. Das gilt unter anderem für die Überwachung der vorgeschriebenen Pausen und die Höchstarbeitszeiten.
Fazit
Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz für Arbeitnehmer. Es gewährleistet den Gesundheitsschutz und ist in dieser Form vor allem für Betriebe notwendig, in denen körperlich gearbeitet wird. Aus diesem Grund ist es zwingend, weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer können von diesem Mindeststandard abweichen.
Anderen Wirtschaftsnationen wie den USA sind solche strengen Regelungen fremd. Die von dort zu uns kommenden Flexibilisierungstendenzen treffen daher ungebremst auf das relativ starre Regelwerk. Das führt derzeit dazu, dass in den entsprechenden Branchen Arbeitgeber, aber auch manche Arbeitnehmer, sich bevormundet fühlen. Der europäische Gesetzgeber wird innerhalb der nächsten Generation damit umgehen müssen und zu entscheiden haben, in welchen Fällen und wie viel Entgrenzung nach europäischem Recht erlaubt sein soll.
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