Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.11.2016
Jeder Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein
Arbeitszeugnis (§ 109 Gewerbeordnung, GewO). Verlief das Arbeitsverhältnis zum Ende hin nicht glücklich, kommt dem Arbeitgeber die Aufgabe zu, ein Spannungsfeld stilvoll aufzulösen: Das Zeugnis muss sowohl wahrheitsgemäß Auskunft über die Leistung des Mitarbeiters geben als auch von verständigem Wohlwollen getragen sein. Missachtet er eine oder beide der Vorgaben, muss er sich gegebenenfalls mit einem arbeitsgerichtlichen Verfahren herumärgern. Entspricht das erteilte Arbeitszeugnis einer Bewertung unterhalb der Notenstufe „glatte 3“ (befriedigend), trägt der Arbeitgeber in diesem Verfahren dann auch die Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer schlechter als „3“ war. Andersherum muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass er besser als „3“ war. Das ist so oder so nicht leicht, praktisch sogar manches Mal unmöglich.
Aus diesem Grunde achten insbesondere Arbeitnehmervertreter gerne darauf, im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs, z.B. über eine
Kündigung, das Zeugnis mit zu regeln. Liegt noch kein wörtlicher Entwurf vor – was der Idealfall wäre, aber praktisch selten umsetzbar ist – kann sich der Arbeitgeber hierbei zur Erteilung einer bestimmten Note verpflichten und / oder das Entwurfsrecht auf den Arbeitnehmer übertragen. So war es in einem Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Hamm sein Ende fand.
Was war passiert? Arbeitszeugnis-Entwurf wird ins Lächerliche gezogen
Die Parteien führten einen Rechtsstreit über ausstehende Vergütung, Arbeitspapiere und das
Arbeitszeugnis. Sie einigten sich vor dem Arbeitsgericht darauf, dass ein Zeugnis erteilt wird, wobei dem Arbeitnehmer ein Entwurfsrecht zusteht; von diesem Entwurf sollte der Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen können.
Der Arbeitnehmer übersandte sodann einen entsprechenden Entwurf – von dem der Arbeitgeber auch abwich und zwar, indem er den Arbeitnehmer, jedenfalls vordergründig, noch weit besser beurteilte als verlangt.
So ergaben sich folgende Abweichungen:
Entwurf des Arbeitnehmers |
Zeugnis des Arbeitgebers |
stets sicher und |
zu jeder Zeit sicher und |
seiner sehr guten Auffassungsgabe |
seiner extrem guten Auffassungsgabe |
war Herr F immer |
war Herr F selbstverständlich immer |
Aufgaben mit beispielhaftem Engagement |
Aufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement |
auf ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse |
auf sehr ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse |
seine sehr gut entwickelte Fähigkeit |
seine extrem gut entwickelte Fähigkeit |
haben sich erfreulich entwickelt |
haben sich äußerst erfreulich entwickelt |
Herr F stets ein kompetenter |
Herr F zu jeder Zeit ein äußerst kompetenter |
bei wechselnden Anforderungen immer ausgezeichnet |
bei wechselnden Anforderungen immer hervorragend |
Wir bewerten ihn mit „sehr gut“. |
Wenn es eine bessere Note als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen. |
Wegen seines freundlichen |
Wegen seines extrem freundlichen |
und Kunden war immer vorbildlich. |
und Kunden war zu jeder Zeit vorbildlich. |
für die stets sehr gute Zusammenarbeit |
für die stets hervorragende Zusammenarbeit |
Der Arbeitnehmer fühlte sich „veralbert“ und verlangte die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Arbeitgeber, weil die Pflicht zur Erteilung des gewünschten Arbeitszeugnisses nicht erfüllt sei. Die vorgenommenen Änderungen zogen nach seiner Ansicht den Zeugnistext ins Lächerliche.
Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer in erster Instanz Recht und setzte ein entsprechendes Zwangsgeld fest, womit der Arbeitgeber zur Erteilung des gewünschten Zeugnisses gezwungen werden sollte. Hiergegen wehrte sich der Arbeitgeber.
Beschluss des Landesarbeitsgerichts: Übersteigerung ist zu viel des Guten
Das Landesarbeitsgericht bestätigte dies in zweiter Instanz (
Beschluss des LAG Hamm vom 14.11.2016, Az. 12 Ta 475/16). Das Landesarbeitsgericht stellte zunächst fest, dass die eigentlich bei dem Arbeitgeber liegende Formulierungshoheit zulässig auf den Arbeitnehmer übertragen wurde. Die Verpflichtung, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von dem vorgeschlagenen Zeugnis abzuweichen, sei grundsätzlich auch erforderlich, sie dient der Sicherstellung der Zeugniswahrheit; ein unwahres Zeugnis braucht niemals erteilt zu werden. So lag der Fall hier aber nicht, ein wichtiger Grund für das Abweichen vom verlangten Zeugnistext lag nicht vor.
Das erteilte Zeugnis zeichnet sich nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts vorrangig dadurch aus, dass die Begriffe gesteigert wurden. „Jeder unbefangene Leser“ – so das Landesarbeitsgericht – werde aber erkennen, dass diese Formulierungen nicht ernst gemeint sind. Das ergibt sich insbesondere aus dem Satz
„Wenn es eine bessere Note als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.“, welchen das Gericht außerdem sprachlich misslungen fand. Das Gericht bestätigte daher die Festsetzung des beantragten Zwangsgeldes in unbekannter Höhe.
Fazit: Ironie kann teuer werden
Fälle von teurer Ironie kennt man üblicherweise eher aus dem Strafrecht, vorzugsweise der Beamtenbeleidigung (z.B. „Trachtengruppe“). Aber auch wenn ein Arbeitgeber sich ohne guten Grund weigert, dem
Arbeitszeugnis-Entwurf des Arbeitnehmers mit Entwurfsrecht, zu folgen, kann das teuer werden – anderes als im Strafrecht sodann per Zwangsgeld, um diesen zur Ausstellung des gewünschten Zeugnisses zu zwingen.
Arbeitgebern, die wirklich nicht damit leben können, einem Arbeitnehmer ein gutes Zeugnis auszustellen, ist daher zu raten, sich weder auf ein solches noch auf ein Entwurfsrecht des Arbeitnehmers zu einigen. Mit „Tricks“ kommt man hier am Ende nicht weiter.
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