Puh, endlich raus aus der Probezeit, jetzt kann man Sie nicht mehr so einfach kündigen. Wirklich?
Nicht unbedingt! Erstens: Das Ende einer Probezeit kann mit dem Entstehen des allgemeinen Kündigungsschutzes zusammenfallen, muss es aber nicht. Letzterer beginnt – wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen, dazu gleich – immer nach sechs Monaten, eine Probezeit kann aber auch kürzer sein. Was bedeutet das für die Zwischenzeit? Die Kündigungsfrist beträgt nach der Probezeit, aber vor Ablauf von 6 Monaten nicht mehr zwei Wochen, sondern vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende; mehr Schutz gibt es abgesehen von den unten genannten Grundsätzen nicht.
Ab dem ersten Tag nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit besteht dann der allgemeine Kündigungsschutz, wenn in dem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind (oder Sie seit Dezember 2003 oder länger dabei sind und zusammen mindestens auf 5,25 Arbeitnehmer kommen, die ebenfalls schon so lange dabei sind).
Was ein Betrieb ist, können Sie hier nachlesen. Gezählt wird wie folgt:
Es kommt auf die Zahl der im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer an. Der oder die gekündigten Arbeitnehmer werden auch dann noch mitgezählt, wenn die entsprechenden Stellen nicht mehr neu besetzt werden.
Zu berücksichtigen sind neben Vollzeitarbeitnehmern
- Teilzeitbeschäftigte
- Befristet eingestellte Arbeitnehmer
- Leiharbeitnehmer
- Aushilfskräfte
- ruhende Arbeitsverhältnisse (z.B. Wehr- oder Zivildienstleistende, Eltern im Erziehungsurlaub oder in Elternzeit)
- Familienangehörige des Arbeitgebers, sofern sie sich in einem Arbeitsverhältnis befinden
Die Anzahl der Beschäftigten wird wie folgt ermittelt:
- Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden werden nur mit 0,5 berücksichtigt
- Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 30 Stunden werden nur mit 0,75 berücksichtigt
- Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden werden mit 1 berücksichtigt
In der Regel nicht mitzuzählen sind dagegen
- Auszubildende
- Volontäre
- Praktikanten
- Umschüler
- echte freie Mitarbeiter
Was bedeutet es, wenn auf mein Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet?
In diesem Fall sind Sie zwar nicht vor jeder Kündigung geschützt, allerdings kann Ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur noch aus drei Gründen (bzw. Kategorien von Gründen) beenden und trägt für das Vorliegen des Grundes die Darlegungs- und Beweislast. Eine wirksame Kündigung kann dann nur noch aus
- verhaltensbedingten Gründen (z.B. Diebstahl),
- personenbedingten Gründen (z.B. sehr häufige Kurzerkrankungen oder sehr lange Langzeiterkrankung)
- betriebsbedingten Gründen (z.B. Schließung einer Abteilung)
erfolgen. Das klingt einfacher als es für den Arbeitgeber ist. Für jede dieser Kategorien gibt es eine Fülle von Untervoraussetzungen für eine wirksame Kündigung (z.B. Abmahnung vor verhaltensbedingter Kündigung). Nur selten hat eine Kündigung überhaupt keine Angriffspunkte, so dass sich ein Vorgehen gegen die Kündigung hier sehr häufig lohnt.
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Was bedeutet es, wenn auf mein Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet?
Sind Sie entweder noch nicht ausreichend lange beschäftigt oder handelt es sich um einen so genannten Kleinbetrieb (nicht mehr als zehn „volle“ Mitarbeiter exklusive des Inhabers), ist Ihr Arbeitgeber in Sachen Kündigung privilegiert. Er braucht dann gerade nicht einen der obigen Gründe, sondern kann aus beinahe jedem Grund kündigen. Vor allem muss der Arbeitgeber Ihnen auch keine Auskunft über den Kündigungsgrund zu geben, so dass ein Vorgehen gegen eine solche Kündigung – vorausgesetzt, sie ist formal in Ordnung und die Kündigungsfrist ist eingehalten – oft wenig erfolgsversprechend ist.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen:
Ausnahme: Kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB)
Das so genannte Maßregelungsverbot ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und nicht im Kündigungsschutzgesetz, es ist daher auf jedes Arbeitsverhältnis anwendbar. Das Prinzip lautet: Der Arbeitgeber darf die berechtigte Inanspruchnahme von Rechten nicht bestrafen. Eine Kündigung ist eine Sanktion in diesem Sinne. Ihnen darf daher keine Kündigung ausgesprochen werden, weil Sie beispielsweise die Bezahlung von Überstunden eingefordert haben.
Hier ist allerdings wichtig, dass Sie nachweisen können, dass der Ausspruch der Kündigung tatsächlich maßgeblich aus diesem Grunde geschah. Hierfür kann ein enger zeitlicher Zusammenhang sprechen (etwa im Rahmen eines Chats).
Ausnahme: Kein Verstoß gegen Diskriminierungsgebote (§ 1 AGG)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) untersagt die Benachteiligung im Arbeitsverhältnis mit Bezug auf das
- Geschlecht
- das Alter
- eine Behinderung
- die Religion / die Weltanschauung
- die Rasse / die ethnische Herkunft
- die sexuelle Identität.
Diese Regelungen gelten auch im Kleinbetrieb. Es zwar umstritten, ob eine Kündigung, die sich mindestens mit nachweisbarer Wahrscheinlichkeit auf einen solchen Grund stützt unwirksam ist oder „nur“ Schadenersatzpflichten auslöst. Ein Vorgehen ist aber auf jeden Fall möglich.
Ausnahme: Keine Treuwidrigkeit (§ 242 BGB)
Auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb muss bei der Auswahl eines zu kündigenden Arbeitnehmers ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Diese ist nicht mehr gewahrt, wenn es dem Sachverhalt quasi „auf der Stirn geschrieben steht“, dass der Arbeitgeber von mehreren Arbeitnehmern den offensichtlich Schutzwürdigeren entlässt (ohne dass es dafür Gründe gibt!).
Es handelt sich hierbei aber um eine echte Ausnahmevorschrift, die nicht mit der Sozialauswahl einer betriebsbedingten Kündigung (mit Kündigungsschutzgesetz) zu verwechseln ist. Sollte der Fall allerdings tatsächlich einmal so offensichtlich sein, würde die Kündigung für unwirksam erklärt.
Fazit: Im Kleinbetrieb geht für den Arbeitgeber vieles, aber nicht alles
Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass ein Arbeitgeber im Kleinbetrieb wirtschaftlich flexibel bleiben muss und gesteht ihm daher deutlich größere Freiheiten im Ausspruch von Kündigungen zu als bei größeren Betrieben. Wenn die Frist eingehalten wurde, formal alles in Ordnung ist und keiner der obigen Ausnahmen zutrifft, ist es daher ratsam, nicht noch gutes Geld für einen Prozess hinterherzuwerfen. So klar ist der Fall aber nicht immer. Zum Beispiel: Worin besteht tatsächlich der Betrieb (Mehrere Filialen einer Kette sind häufig zusammenzuzählen.)? Wie viel zählt nun welcher Arbeitnehmer und woher sollen Sie das wissen (Ihr Arbeitgeber muss sich zur Arbeitszeit seiner Mitarbeiter äußern, wenn Sie diese nicht wissen.)?
Unser Rat lautet daher: Gehen Sie Ihre Kündigung einmal mit dieser Checkliste durch und erwägen Sie anschließend, ob eine Kündigungsschutzklage für Sie in Frage kommt. Haben Sie dann Fragen oder möchten gegen eine Kündigung vorgehen, sprechen Sie uns einfach an.
Noch Fragen?
Haben Sie Fragen zu dem Thema Kündigung? Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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